Frankreich: Heftige Kritik an Fußfessel für Terrorverdächtige

Symbolbild: Fußfessel in Frankreich.
Symbolbild: Fußfessel in Frankreich.(c) EPA
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Einer der beiden Kirchenattentäter wurde mit einer Fußfessel überwacht. Der Staatsanwalt sprach sich im Vorjahr gegen die Freilassung des Mannes aus.

Einer der Kirchenattentäter von Frankreich stand wegen Extremismus-Verdachts unter behördlicher Überwachung und hat die Tat mit einer elektronischen Fußfessel begangen. Der 19-jährige Adel K. war nach Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft vom Dienstagabend im Jahr 2015 unter Terrorverdacht in Untersuchungshaft genommen worden und vor vier Monaten unter Auflagen wieder freigekommen: Er wurde unter Hausarrest gestellt und durfte seine Wohnung nur vormittags kurzzeitig verlassen. Den Freigang nutze er offenbar zur Tat.

K. war am Dienstagmorgen mit einem zunächst noch nicht identifizierten Mittäter mit Messern bewaffnet in die Kirche von Saint-Etienne-du-Rouvray bei Rouen eingedrungen, in der sich der Priester, drei Nonnen und zwei Gemeindemitglieder befanden. Die Männer schnitten dem 1930 geborenen Priester die Kehle durch und verletzten einen 86-jährigen Gottesdienstbesucher schwer am Hals, wie der Pariser Staatsanwalt François Molins sagte. Die beiden Angreifer, die sich zur Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannten, wurden erschossen.

Polizei: Fußfessel bei Terrorbezug muss enden

Am Abend gab der Staatsanwalt Details zu K. bekannt. Dieser hatte laut Molins im vergangenen Jahr zwei Mal vergeblich versucht, nach Syrien zu reisen. Der französischen Anti-Terror-Staatsanwaltschaft war er demnach bekannt. Das erste Mal wurde er im März 2015 in Deutschland, beim zweiten Versuch Mitte Mai 2015 in der Türkei festgenommen. Nachdem er von der Türkei nach Frankreich überstellt worden war, wurde K. in Untersuchungshaft genommen, kam aber unter strengen Auflagen mit einer elektronischen Fußfessel wieder frei.

Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte damals vergeblich versucht, seine Freilassung zu verhindern. Laut Molins stand K. zum Tatzeitpunkt bei seinen Eltern unter Hausarrest und durfte deren Wohnung nur wenige Stunden am Vormittag zwischen 08.00 Uhr und 12.30 Uhr verlassen. Die Tat beging er gegen 09.30 Uhr. Die Polizeigewerkschaft kritisierte die Freilassung von K. Die Praxis, Verdächtige unter Auflagen mit Fußfesseln freizulassen, müsse in Fällen "mit jedwedem Bezug zum Terrorismus" beendet werden, sagte der Vize-Generalsekretär der Polizeigewerkschaft Alliance, Frederic Lagache.

Zuvor hatten bereits Oppositionspolitiker der Regierung Versagen vorgeworfen. Frankreichs konservativer ehemaliger Staatschef Nicolas Sarkozy forderte eine "tiefgreifende Änderung" im Kampf gegen den Terrorismus. Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, machte "all jene, die uns seit 30 Jahren regieren", für die Tat verantwortlich.

Erster Anschlag auf Kirche in Europa

Staatsanwalt Molins schilderte den Hergang der schrecklichen Ereignisse in der Kirche. Eine der Nonnen konnte entkommen und die Polizei alarmieren. Diese versuchte, durch eine kleine Tür mit den Attentätern zu verhandeln, die ihre Geiseln als menschliche Schutzschilde missbrauchten. Schließlich verließen die Nonnen und ein Gottesdienstbesucher die Kirche gefolgt von den Attentätern, von denen einer eine Schusswaffe trug.

Wie der Staatsanwalt weiter berichtete, riefen die Angreifer "Allahu Akbar" (Gott ist groß), bevor sie von den Polizisten vor der Kirche erschossen wurden. Beide Männer hatten Sprengstoffattrappen in Aluminiumfolie umgebunden.

Präsident Francois Hollande machte sich mit Innenminister Bernard Cazeneuve ein Bild von der Lage vor Ort. Die beiden "Terroristen" hätten sich zum "Islamischen Staat" (IS) bekannt, sagte Hollande. Die IS-Miliz nahm die Attacke für sich in Anspruch: "Zwei Soldaten des Islamischen Staates haben eine Kirche in der Normandie attackiert", erklärte die IS-nahe Agentur Amaq. Es war der erste Anschlag auf eine katholische Kirche in Europa, zu dem sich der IS bekannte.

(APA/AFP)

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