Nordsyrien: IS schickt Attentäter gegen Kurdenstadt los

Verwüstungen in Qamishli. Der IS verübte einen Anschlag in der nordsyrischen Stadt. [
Verwüstungen in Qamishli. Der IS verübte einen Anschlag in der nordsyrischen Stadt. [(c) APA/AFP/DELIL SOULEIMAN
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Bei der Detonation eines mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugs kamen in der Stadt Qamishli Dutzende Menschen ums Leben. Auf den Schlachtfeldern in der Region werden die IS-Extremisten aber weiter zurückgedrängt.

Es waren erschütternde Szenen, die sich am Mittwoch in der nordsyrischen Stadt Qamishli abspielten. Eine gewaltige Detonation richtete in der Stadt schwere Verwüstungen an. Noch Stunden nach dem Anschlag waren nach wie vor Menschen unter den Trümmern begraben. „Mir geht es gut“, meint ein Augenzeuge aus Qamishli im Gespräch mit der „Presse“. „Aber meine Stadt ist zerstört“, fügt er resignierend hinzu. „Sie haben mit einem Fahrzeug voller Sprengstoff angegriffen. Dutzende Menschen sind gestorben, Hunderte wurden verletzt.“

Nach ersten Erkenntnissen sind die Opfer vor allem Zivilisten. Die Extremistenorganisation des sogenannten Islamischen Staates (IS) bekannte sich im Internet über ihre „Nachrichtenagentur“ Amaq zu dem Anschlag.
Die Attentäter hatten die fahrende Bombe nahe einem Verwaltungsgebäude und einer Polizeistation zur Detonation gebracht – Einrichtungen des Kantons Cizire. Er ist der östlichste der quasi autonomen Kantone in Syriens Kurdengebieten.

In den Wirren des syrischen Bürgerkriegs übernahm die Partei der Demokratischen Union (PYD) gemeinsam mit den sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG) die Kontrolle über weite Teile des vor allem von Kurden besiedelten Norden Syriens. Beide sind Schwesterorganisationen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die im Nachbarland Türkei einen Untergrundkrieg gegen die türkischen Sicherheitskräfte führt.

Das rund 200.000 Einwohner zählende Qamishli ist eine der wichtigsten Städte in Syriens Kurdengebieten. Teile der Stadt stehen aber auch nach wie vor unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Die PYD hat eine Art Stillhalteabkommen mit der Regierung in Damaskus geschlossen; trotzdem kam es in der Vergangenheit auch immer wieder zu Gefechten zwischen kurdischen Kämpfern und regimetreuen Einheiten.

Die kurdischen Truppen in Syrien sind wichtige Verbündete des Westens im Kampf gegen den IS. Sie hatten Kobane gegen die Extremisten verteidigt und damit verhindert, dass der IS dauerhaft weite Teile Nordsyriens unter seine Kontrolle bringt. Auch aus der strategisch wichtigen Grenzstadt Tal Abyad wurden die Jihadisten von den YPG-Volksverteidigungseinheiten hinausgeworfen. Damit wurde eine wichtige Nachschublinie des IS aus der Türkei in seine Hauptstadt Raqqa gekappt.

Offensive gegen IS-Hochburg

Derzeit sind die YPG gemeinsam mit verbündeten arabischen Einheiten dabei, die IS-Hochburg Manbij westlich des Euphrat einzunehmen. Die Offensive ist ein erster Schritt dazu, den IS völlig aus dem türkisch-syrischen Grenzgebiet zu vertreiben. In Manbij erhalten die kurdisch-arabischen Truppen Luftunterstützung durch die USA und Frankreich. Bei einem dieser Luftangriffe sollen vor einer Woche auch Dutzende Zivilisten ums Leben gekommen sein.

Der Verlust von Manbij wäre eine weitere schwere Niederlage des IS auf den Schlachtfeldern in Syrien und im Irak. Doch es gelingt ihm nach wie vor, seine Attentäter loszuschicken – so wie jetzt in der Stadt Qamishli.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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