Die schwierige Partnersuche des spanischen Premierministers

Spaniens Premierminister, Mariano Rajoy, findet keinen Koalitionspartner.
Spaniens Premierminister, Mariano Rajoy, findet keinen Koalitionspartner. (c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Seit mehr als 200 Tagen kann man sich in Spanien nicht auf die Bildung einer neuen Regierung einigen.

Madrid. Bekommt Spanien nach Monaten des politischen Stillstands nun doch eine Regierung? Das ganze Land hofft, dass sich die zerstrittenen Parteien endlich zusammenraufen. Auch König Felipe, Spaniens Staatsoberhaupt, ermahnte die Politiker, einen Ausweg aus der politischen Blockade zu finden. Felipe berät dieser Tage mit den Parteispitzen, ob es einen mehrheitsfähigen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs gibt.

Immerhin gab es vergangene Woche einen Lichtblick in der politischen Krise: Erstmals nach der Neuwahl war das spanische Abgeordnetenhaus zusammengetreten und hatte sich auf eine Parlamentspräsidentin geeinigt. Dies signalisierte, dass sich in Spanien, das seit mehr als 200 Tagen ohne gewählte Regierung ist, doch etwas bewegt. Und dass Pakte im zersplitterten Parlament, in dem es keine klaren Mehrheiten gibt, möglich sind.

Am wahrscheinlichsten scheint ein konservatives Minderheitskabinett, das vom bisherigen geschäftsführenden Premier, Mariano Rajoy, angeführt wird. Spanien, viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone, kämpft mit einem Schuldenberg, hoher Arbeitslosigkeit und braucht dringend Reformen.

Seit der konservative Rajoy, der seit Ende 2011 an der Macht ist, in der Parlamentswahl im Dezember 2015 seine absolute Mehrheit verloren hat, steht Spanien still. Weder der damalige Wahlsieger, Rajoy, noch der sozialistische Oppositionsführer, Pedro Sánchez, schafften es, eine Regierung zu bilden. Deswegen musste am 26. Juni neu gewählt werden. Der Urnengang bescherte Rajoy zwar einen überraschenden Stimmenzuwachs, aber immer noch keine tragfähige Mehrheit. Ohne Partner wird er nicht regieren können.

Wenigstens ein Juniorpartner, der Rajoy behilflich sein könnte, trat aus dem Nebel: Die kleine bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) wählte zusammen mit Rajoys Volkspartei die konservative Politikerin und Ex-Verkehrsministerin Ana Pastor zur neuen Parlamentspräsidentin. Die Bürgerpartei bekam zur Belohnung ein paar Posten im Abgeordnetenhaus zugeschoben. Die Parlamentsvorsitzende ist laut spanischer Verfassung nach dem königlichen Staatsoberhaupt und dem Ministerpräsidenten die drittmächtigste Person im politischen System.

Ciudadanos-Chef Albert Rivera deutete an, dass er auch einer konservativen Minderheitsregierung von Rajoy nicht im Wege stehen werde. Seine 32 Abgeordneten könnten sich bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament enthalten. Das reicht zwar noch nicht für eine Mehrheit Rajoys, der nur über 137 der insgesamt 350 Parlamentsmandate verfügt. Aber mit der Enthaltung weiterer Parteien könnte es klappen. Bei der Wahl der Parlamentspräsidentin hatten sich zum Beispiel die katalanischen und baskischen Regionalparteien neutral verhalten – die Konservativen versprachen ihnen als Gegenleistung den begehrten Fraktionsstatus im Parlament. Einen ähnlichen Kuhhandel könnte Rajoy bei der Regierungsbildung versuchen.

Streit um Kurs bei Sozialisten

Theoretisch könnte auch der sozialistische Oppositionsführer Sánchez versuchen, eine Regierung zu bilden - aber Sánchez' Partei ist zerstritten über ihren Kurs. Das verhindert die Zusammenarbeit mit dem Linksbündnis Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es schaffen), Spaniens drittgrößter Partei.

„Spanien braucht dringend eine Regierung“, sagt Rajoy. Niemand würde ihm widersprechen. Sollte die Regierungsbildung erneut scheitern, müsste zum dritten Mal innerhalb eines Jahres gewählt werden. Ein Albtraum, der einem Versagen der Parteiführer gleichkommen würde. In dem Fall, donnerte die große nationale Zeitung „El País“ in einem Leitartikel, „sollten sie alle abtreten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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