Obama beschwört den Geist Ronald Reagans

Präsident Obama stellt sich hinter Hillary Clintons Kandidatur.
Präsident Obama stellt sich hinter Hillary Clintons Kandidatur.(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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In seiner letzten großen Ansprache zeichnete der Präsident ein zuversichtliches, freiheitsliebendes Bild von Amerika, für das früher die Republikaner standen. Die Reaktionen frustrierter Konservativer bestätigen diesen Schachzug.

Philadelphia. Keinen amerikanischen Präsidenten verehren die Republikaner mehr als Ronald Reagan. Während ihres Parteitages in Cleveland vorige Woche gab es kaum einen Redner, der nicht Bezug auf ihn nahm. Und schon kurz nach seiner Wahl zum Vizekandidaten von Donald Trump erklärte Mike Pence, der Gouverneur von Indiana: „Ich habe ein Gespür für seinen anpackenden Führungsstil, und um alles in der Welt erinnert er mich an Ronald Reagan.“

Reagan, der Übervater nicht nur republikanischer, sondern traditioneller amerikanischer Werte: Genau an diesem Punkt hakte Präsident Barack Obama in der Nacht auf Donnerstag ein, als er auf dem Parteitreffen der Demokraten die vermutlich letzte politische Ansprache seiner Amtszeit hielt. „Ronald Reagan nannte Amerika ,eine strahlende Stadt auf einem Hügel‘“, sagte Obama. „Donald Trump nennt es ,einen gespaltenen Ort des Verbrechens‘, den nur er in Ordnung bringen kann. Es kümmert ihn nicht, dass die illegale Einwanderung und die Arbeitslosigkeit so niedrig sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr, denn er bietet keine echten Lösungen für diese Probleme an. Er hat nur Schlagwörter parat und Angst.“

Resignierte Konservative

Obama argumentierte, dass es bei der Wahl zwischen Clinton und ihrem republikanischen Konkurrenten, Donald Trump, nicht um „die üblichen Debatten zwischen links und rechts“ gehe. „Es ist eine grundlegendere Wahl – nämlich darüber, wer wir als Volk sind, und ob wir diesem großartigen Experiment der Selbstregierung treu bleiben.“

Der Tenor des jüngsten republikanischen Parteitages sei „nicht besonders republikanisch gewesen – und er war ganz sicher nicht konservativ. Was wir gehört haben, war eine zutiefst pessimistische Vision eines Landes, in dem wir aufeinander losgehen und uns vom Rest der Welt abwenden. Und das ist nicht das Amerika, das ich kenne.“

Die Reaktionen mehrerer konservativer Vordenker legten den Schluss nahe, dass Obama mit dieser Kritik an der Trump'schen Weltsicht ins Schwarze getroffen hat.
„Die GOP bot eine Vision der Düsternis, Verzweiflung und Spaltung. Heute Nacht hat der Präsident, von dem ich denke, dass er uns spaltet, Optimismus angeboten. Ich hasse das heurige Jahr“, blies der konservative Talk-Radio-Betreiber Erick Erickson auf Twitter Trübsal. „Amerikanischer Exzeptionalismus und Größe, die strahlende Stadt auf dem Hügel, die Gründungsdokumente etc. – die versuchen, alle unsere Sachen zu nehmen“, stieß Rich Lowry, Herausgeber des konservativen Magazins „National Review“, ins selbe Horn. „Kann ein Trump-Apologet mir erklären, wieso ein 18-Jähriger, der sich die Parteitage anschaut, ein Republikaner sein wollte?

Wir verschenken eine ganze Generation“, warnte Tim Miller, der frühere Sprecher des gegen Trump gescheiterten Ex-Gouverneurs von Florida, Jeb Bush.
Besonders schmerzhaft dürfte für diese klassischen Konservativen vom Zuschnitt Reagans die Beschwörung des Geistes der Gründerväter durch den Verfassungsrechtler Obama gewesen sein. „Amerika hängt nicht von einer einzigen Person ab – und gewiss nicht von Donald Trump.“ Trump wette mit seiner nahezu apokalyptischen Botschaft gegen das amerikanische Volk, sagte Obama. „Und das ist eine weitere Wette, die er verlieren wird. Wir sind kein zerbrechliches oder ängstliches Volk. Unsere Kraft rührt nicht von irgendeinem selbst ernannten Retter, der verspricht, dass er allein die Ordnung wiederherstellen kann. Wir wollen nicht beherrscht werden.“

Mit Roosevelt in der Arena

Darum werfe er sich nun für Hillary Clinton, die er vor acht Jahren in einem erbitterten Vorwahlkampf niedergerungen hatte, ins Zeug – und er tat das, indem er Theodore Roosevelt beschwor, einen weiteren republikanischen Säulenheiligen. „Hillary weiß, dass sie Fehler gemacht hat, genauso wie ich, genauso wie wir alle“, mahnte der Präsident. „Das passiert, wenn man jene Art von Bürger ist, die Teddy Roosevelt einst beschrieb: ,Nicht die furchtsamen Seelen, die von den Seitenlinien aus kritisieren‘, sondern jemand, der ,in der Arena tapfer kämpft, der irrt, aber der im Idealfall den Triumph großer Errungenschaften kennt.‘“ Und, so schloss Obama: „Hillary ist diese Frau in der Arena.“

Auf einen Blick

Hillary Clinton nahm am Donnerstag die Nominierung zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin an. Tags zuvor argumentierten Präsident Barack Obama, sein Vizepräsident, Joe Biden, sowie Michael Bloomberg, der parteiunabhängige frühere Bürgermeister von New York, mit Vehemenz dafür, dass man Amerika nicht der Führung Donald Trumps überantworten könne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2016)

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