Serbien: Sehnsucht nach Jugoslawiens goldenem Zeitalter

(c) EPA (Aleksandar Pavlavsevski)
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Belgrad will seine alte Brückenfunktion wiederbeleben – und sucht Annäherung an China und Libyen. Libyen sei ein langjähriger Partner, und jedes Treffen sei eine Gelegenheit "zur Erneuerung der Zusammenarbeit".

BELGRAD. Auch ein kleineres Land liebt große Freunde. Bisher habe Serbiens Außenpolitik auf den Pfeilern Brüssel, Washington und Moskau geruht, erklärte Präsident Boris Tadi? nach seiner jüngsten China-Reise: „Nun haben wir eine vierte Stütze: Peking.“ Begeistert reagierten die meisten Medien auf die „strategische Partnerschaft“ mit China. „Das Abkommen mit China wird uns aus der Krise führen,“ titelte „Press“. Beifall war dem Staatschef selbst von der Opposition gewiss. Tadi? sei endlich „klüger“ geworden, freute sich der Abgeordnete Zoran Krasi? von der nationalistischen SRS: Mit dem China-Vertrag habe der Präsident „unsere Position übernommen“.

Schon seit Jahren hängt Serbien in der EU-Warteschleife. Eine baldige Landung in Europas Wohlstandsbündnis scheint wegen der ausstehenden Auslieferung des abgetauchten Generals Ratko Mladic an das UN-Tribunal nicht in Sicht: Ohne dessen Ergreifung wollen sich die Niederlande gegen die Absegnung des EU-Assoziierungsabkommens mit Belgrad sperren. Der EU-Beitritt habe unvermindert „Priorität“, versichern Serbiens Politiker. Doch seit Wochen steuert Belgrad auf auffälligem Zickzackkurs. Ob der Partnerschaftsvertrag mit der Türkei oder Rüstungskooperationen mit Libyen und dem Irak: Schlüsselpartner sucht das Land lieber in der Fremde als bei den Nachbarn.

Libyen sei ein langjähriger Partner, und jedes Treffen sei eine Gelegenheit „zur Erneuerung der Zusammenarbeit“, begründete Tadic, warum er sich diese Woche als einer der wenigen europäischen Staatschefs zur Jubiläumsparty des libyschen Autokraten Gadhafi nach Tripolis aufmachte. Begleitet wurde er nicht nur von 27 Paradesoldaten, sondern auch von seinem Verteidigungsminister und Vertretern der Rüstungsindustrie.

Engagement bei Blockfreien

Nicht nur die Folgen der Wirtschaftskrise setzen Belgrads Emissäre in der Hoffnung auf Kredite und Aufträge in Marsch. Es ist die Brückenfunktion des zerfallenen Jugoslawien, die sich Serbien anzueignen sucht. Unter dem sozialistischen Autokraten Tito galt Jugoslawien als führendes Land der Bewegung der Blockfreien Staaten – mit guten Beziehungen nach Ost und West. Obwohl Serbien nur über Beobachterstatus verfügt, hat sich Belgrad kürzlich um die Ausrichtung der nächsten Konferenz, 2011, der Bewegung beworben. Doch der Kalte Krieg ist längst vorbei und Serbien ein Staat mit nur 7,5 Millionen Einwohnern.

Belgrad bemühe sich, das „Goldene Zeitalter“ der 60er und 70er zu revitalisieren, konstatiert ein Bericht des US-Instituts Stratfor: Doch dieses Bemühen sei eher für das heimische Publikum gedacht als eine realistische Strategie.

Die von der Politik geschürten Erwartungen werden aber von Ökonomen gedämpft – etwa bezüglich der jüngsten Annäherung an Peking: Die Arbeitskraft sei in Serbien teurer als in China. Serbien habe kaum Güter, die für den Export nach Fernost interessant sein könnten. Schon aus dem ähnlichen Abkommen mit Russland habe Serbien „keinerlei Nutzen“ gezogen, meint der Ökonom Aleksander Stevanovi?. Es könne keine strategische Partnerschaft zwischen „David und Goliath“ geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2009)

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