Inselstreit: China startete Cyberangriff

Die "Volksbefreiungsarmee" schult seit Jahrne ihre Kader in der Kunst der digitalen Kriegsführung.
Die "Volksbefreiungsarmee" schult seit Jahrne ihre Kader in der Kunst der digitalen Kriegsführung.AFP
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China setzte offenbar Hacker auf Länder an, die Pekings Ansprüche im Südchinesischen Meer nicht akzeptieren. Das geht aus einem Sicherheitsbericht hervor, der der „Presse“ vorliegt.

Den Verdacht gibt es schon eine Weile. Doch nun hat die unabhängige finnische IT-Sicherheitsfirma F-Secure Belege dafür zusammengetragen: China spioniert im Streit um das Südchinesische Meer die Rechner seiner außenpolitischen Gegner aus. Das geht aus einem Bericht von F-Secure hervor, der der „Presse“ exklusiv vorliegt. Das auf Internetsicherheit spezialisierte Unternehmen beobachtet eigenen Angaben zufolge bereits seit geraumer Zeit eine Schadsoftware, die sich gezielt gegen das Justizministerium der Philippinen, die Anwälte einer großen internationalen Kanzlei und die Organisatoren des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) richtet.

Die von F-Secure entdeckte Spionagesoftware wird den IT-Experten zufolge über eine Phishing-Mail verschickt, an der wiederum eine „bösartige“ Datei angehängt ist. Einmal angeklickt, sendet diese Software Informationen aus dem infizierten Rechner an einen zentralen Server. Ganze Datenreihen können auf diese Weise unbemerkt heruntergeladen werden. Code und Infrastruktur gingen auf Entwickler in China zurück, heißt es in dem mehrseitigen Bericht der finnischen Cyberdetektive.

Was den IT-Experten von F-Secure aufgefallen ist: Alle ausgespähten Institutionen waren in den vergangenen Monaten mit dem Territorialstreit im Südchinesischen Meer befasst. So hatten die Philippinen als Gastgeber des Apec-Gipfels im vergangenen Jahr vor, China für seine aggressive Politik zu verurteilen. „Die betroffenen Organisationen stehen alle in irgendeiner Weise mit dem Fall im Zusammenhang“, sagt Erka Koivunen, digitaler Sicherheitsbeauftragter bei F-Secure.

China errichtet Stützpunkte

China liegt seit Jahren im Clinch mit den USA und sämtlichen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres, das von allen Seiten auch deshalb als so wichtig erachtet wird, weil fast die Hälfte des weltweiten Handelsverkehrs dieses Seegebiet passiert (außerdem werden unter dem Meeresgrund reichhaltige Rohstoffvorkommen vermutet). Während Vietnam, Taiwan, Malaysia, Brunei und die Philippinen lediglich Anspruch auf einige der Inseln erheben, beansprucht China fast das gesamte Territorium. Das chinesische Militär hat einige der umstrittenen Inseln bereits aufgeschüttet und darauf Stützpunkte errichtet.

Mitte Juli befand der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag, dass es für Chinas Ansprüche (die sogenannte Neun-Striche-Linie, die fast das gesamte Meeresgebiet umfasst) keine rechtliche Grundlage gebe und China mit seinen Aufschüttungen gegen internationales Seerecht verstoße. Peking erkennt das Urteil nicht an.

Da sich die zeitliche Abfolge der Cyberattacke ziemlich genau mit der Veröffentlichung von Nachrichten oder Ereignissen rund um das Schiedsverfahren deckt und die chinesischen Bauaktivitäten seit März noch einmal massiv zugenommen haben, vermutet das finnische Sicherheitsunternehmen, dass die Regierung in Peking hinter diesen Angriffen steckt. Es sei davon auszugehen, dass China gezielt Cyberspionage eingesetzt hat, um einen besseren Einblick in das Gerichtsverfahren zu gewinnen, heißt es in dem Bericht von F-Secure. „Der Zeitpunkt deutet auf politische Motivation hin“, sagt ein Firmensprecher.

USA schon länger im Visier

Peking äußerte sich zunächst nicht zu dem Verdacht. Schon in der Vergangenheit hat es ähnliche Vorwürfe stets von sich gewiesen. China betreibe keine Cyberspionage, sondern sei selbst regelmäßig Opfer von Hacker-Angriffen aus dem Ausland, hieß es wiederholt aus dem chinesischen Außenministerium. Allerdings hat die US-amerikanische IT-Sicherheitsfirma Mandiant im Februar 2013 schon einmal eine Sondereinheit der chinesischen Streitkräfte ausfindig gemacht, die von einem Gebäude in Shanghai aus eine „ausgedehnte Cyberkampagne“ gegen mehr als 130 Ziele in den Vereinigten Staaten geführt haben soll. Mandiant berichtete damals von Tausenden chinesischen Cybersoldaten, die Regierungen und Unternehmen aus aller Welt ausspionierten. Dieser Bericht sorgte damals für diplomatische Verwerfungen zwischen China und den USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2016)

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