Serbien: Ein Denkmal für Milošević?

Zehntausende Trauernde versammelten sich zum Gedenken an den ehemaligen serbischen Staatspr�sidenten
Zehntausende Trauernde versammelten sich zum Gedenken an den ehemaligen serbischen Staatspr�sidenten(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Die Sozialisten fordern die Rehabilitierung des verstorbenen Autokraten. Kritiker antworten mit bitterer Ironie.

Belgrad. Ein kleiner Absatz in einem 2590 Seiten starken Urteil des UN-Tribunals in Den Haag löst in Serbien Triumphgefühle aus: Ex-Autokrat Slobodan Milošević und Serbien hätten „keine Schuld“ an den im Bosnienkrieg (1992–1995) begangenen Verbrechen, frohlockte nun Miloševićs Ex-Sprecher, der heutige Außenminister, Ivica Dačić. Noch weiter geht Parteifreund Milutin Mrkonjić, Ehrenvorsitzender der mitregierenden Sozialisten: „Wir wissen alle, dass Milošević unschuldig war. Er sollte ein Denkmal und eine nach ihm benannte Straße erhalten.“

Der 2002 begonnene Prozess gegen Serbiens Ex-Autokraten wurde vor dem UN-Tribunal nie beendet: Noch vor Verkündung eines Urteils starb er 2006 im Untersuchungsgefängnis in Scheveningen an Herzversagen. In dem vor fünf Monaten gegen den früheren bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić verhängten Urteil findet sich eine Passage, aus der einige Miloševićs Rehabilitierung herauslesen wollen. Es habe „keine ausreichenden Beweise“ gegeben, dass Milošević mit dem Plan der Führung der bosnischen Serben übereingestimmt habe, gegen die muslimische Zivilbevölkerung Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu begehen, konstatiert das Urteil. Es bescheinigt Belgrad aber „Assistenz“ für die bosnisch-serbischen Truppen in Form von Waffen, Milizen und Logistik.

„Das ist Geschichtsrevision“

Mit unvollständigen Angaben und „falschen Schlussfolgerungen“ versuche Dačić das Bild des „unschuldigen“ Milošević zu zeichnen, ärgert sich Menschenrechtsaktivistin Nataša Kandić. Sie sieht darin einen weiteren Versuch der Regierung zur „Geschichtsrevision“: Allein wegen der ihm zur Last gelegten Verbrechen im Kosovo wäre Milošević in Den Haag nie freigesprochen worden.

Kritische Twitter-Nutzer sammeln mit bitterer Ironie Ideen für ein „Monument für Slobo“. Die Vorschläge reichen von Aufnahmen der Flüchtlingstrecks des Kroatien-Kriegs und zerbombten Brücken im Kosovo-Krieg über die Milliardenbeträge der Inflationsgeldscheine bis hin zu den Grabsteinen ermordeter Regimegegner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)

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