China schmiedet asiatische Achse gegen Indien

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PAKISTAN-ECONOMY-MARKETAPA/AFP/FAROOQ NAEEM
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Mit Milliardeninvestitionen will China das Fischerdorf Gwadar in einen Tiefseehafen verwandeln. Islamabad träumt von einem zweiten Dubai. Doch Peking hat größere Ziele.

Wien/Gwadar. Als bahnbrechend, gar schicksalverändernd bezeichneten pakistanische Kommentatoren Chinas Megaprojekt. Wo sich heute einstöckige Lagerhallen auf Sanddünen aneinanderreihen, soll in ein paar Jahren Pakistans größter Tiefseehafen mit einer Umschlagsmenge von 400 Millionen Tonnen entstehen. Von einem Fischerdorf in eine moderne Industriestadt soll sich das bitterarme Gwadar im Süden des Landes entwickeln. Ein zweites Dubai mit glitzernden Hochhäusern beschwören Optimisten. Das Hafenprojekt ist eines der Herzstücke des sogenannten China/Pakistan-Wirtschaftskorridors. 46 Milliarden US-Dollar (41,3 Milliarden Euro) sicherte Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, Islamabad dafür zu.

Das 3000 Kilometer umspannende Netzwerk aus Verkehrswegen, Kraftwerken und Stromleitungen soll von Kaschgar im Westen Chinas bis zum Arabischen Meer reichen: im Westen Pakistans nach Gwadar, in der von Separatisten und Islamisten gebeutelten Provinz Belutschistan; im Osten über Punjab, die Machtbasis von Premier Nawaz Sharif, in die Küstenmetropole Karachi. Schwärmer träumen bereits vom Aufstieg Pakistans zum nächsten asiatischen Tiger. Denn mit 538 Millionen Euro Direktinvestitionen sorgte China im vergangenen Fiskaljahr für einen Anstieg ausländischer Förderungen um nahezu 40 Prozent.

Islamabad verkauft das Projekt als Allheilmittel für die wirtschaftlichen Probleme des Landes: Es soll Jobs schaffen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und den chronisch maroden Energiesektor, in den ein Großteil der Mittel fließt, reformieren. Geld und Entwicklungsmöglichkeiten gegen eine geostrategisch günstige Lage, lautet der Deal. Viele Bewohner Gwadars und des umliegenden Belutschistan aber bezweifeln den Nutzen des Projekts. Es diene nur China, nicht der Bevölkerung, klagen sie. Von den Einnahmen aus dem Hafen bekommen sie nichts zu sehen: Ein chinesisches Unternehmen unterzeichnete im November einen 43-jährigen Pachtvertrag. Der Stadt fehlt es zudem an Trinkwasser und Elektrizität – Strom wird aus dem benachbarten Iran importiert.

Neu-Delhi sorgt vor

Hier kommt auch die Rivalität der Armenprovinz mit dem reichen Punjab ins Spiel: Die Lokalregierung in Quetta wirft dem Premier vor, die östliche Korridorroute zu bevorzugen, um Wählerstimmen zu gewinnen. Für China aber zählt vor allem der Schutz seiner Tausenden Fachkräfte in Pakistan, die in den vergangenen Jahren immer wieder Opfer von Gewalt wurden.

Die Armee sicherte Peking daher mehr als 10.000 Soldaten zu. Die Sicherheitskräfte seien bereit, alles zu tun, um diesen „lang gehegten Traum wahr zu machen“, drohte Armeechef Rahell Sharif allen Opponenten. Es steht viel auf dem Spiel – für beide Länder. Der Korridor ist das Flaggschiff Xi Jinpings geopolitischen Vorstoßes „Ein Gürtel, eine Straße“, der Eurasien durch Infrastruktur- und Investitionsprojekte vernetzen soll.

Xi fängt damit mehrere Fliegen mit einer Klappe: Das Projekt ist nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen interessant, Peking hofft auch auf eine Sicherheitsstabilisierung in dem an die Unruheprovinz Xinjiang grenzenden Nachbarstaat. Noch viel wichtiger aber: Der Zugang zum Arabischen Meer ist ein Grundstein für Chinas Aufstieg zu einer Seestreitmacht. Gleichzeitig hält die sinopakistanische Freundschaft Indien in Schach. Eine Entwicklung, die der asiatische Gigant misstrauisch betrachtet.

Es sei ein Gerücht, dass „China Gwadar als weitere feindliche Hochburg an der sogenannten Perlenkette aufbaue, um Indiens Aktivitäten im Indischen Ozean und darüber hinaus einzudämmen“, negierte das chinesische Propagandablatt „Global Times“ eine Rivalität zwischen den Ländern. Neu-Delhi sieht das offenbar anders und hat vorgesorgt: Im Mai unterzeichnete Premier Narendra Modi einen 449 Millionen Euro schweren Deal mit Teheran, der den kleinen iranischen Hafen Chabahar in eine Drehscheibe für indische Waren transformieren soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2016)

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