Türkei ruft Botschafter aus Wien zurück

Die kurdischen Demonstrationen in Wien sind für das türkische Außenministerium Grund, den Botschafter einzubestellen.
Die kurdischen Demonstrationen in Wien sind für das türkische Außenministerium Grund, den Botschafter einzubestellen.(c) Stanislav Jenis / Die Presse
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Die Kurden-Demonstration vom vergangenen Wochenende beunruhigt Ankara. Die Türkei ruft ihren Botschafter zu Konsultationen zurück ins Land.

Die Türkei hat ihren Botschafter aus Wien zurückbeordert, sagte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu. Der Sprecher des Außenministeriums, Thomas Schnöll, bestätigte dies am Monatagabend. Anlass sei die Demonstration von Kurden in Wien gewesen, die auch die PKK unterstützt hätte, eine in der Türkei verbotene und als terroristisch bezeichnete Organisation.

Außenminister Sebastian Kurz hält auch nach dem diplomatischen Schritt Ankaras an seinen Positionen zur Türkei fest. Das erklärte ein Sprecher des Ministers am Dienstag. Man nehme den Schritt zur Kenntnis und führe die bilateralen Gespräche "auf allen Ebenen" weiter. Auch der österreichische Geschäftsträger in Ankara, Georg Oberreiter, wurde am Montag anstelle des auf Urlaub befindlichen Botschafters Klaus Wölfer ins türkische Außenministerium zitiert.

Die Kundgebung in Wien fand unter dem Motto "Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan" statt. Der inhaftierte Abdullah Öcalan war Vorsitzender der in der Türkei verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK.

600 friedliche Demonstranten

Nach Wiener Polizeiangaben waren es am frühen Samstagabend vor dem Parlament 600 Demonstranten, die von 300 Polizisten bewacht wurden. Die Anhänger kurdischer Vereine waren um 16 Uhr vom Schwarzenbergplatz gestartet und auf der Ringstraße zum Parlament marschiert. Die Woche davor war es zu Zusammenstößen zwischen Kurden und Türken am Stephansplatz gekommen.

Dass die Kurden in Österreich auf die Straße gehen, ist  keine Seltenheit. Wöchentlich gibt es Demos, hinter denen Feykom, der Verband der Kurdischen Vereine in Österreich, steht. Die der PKK nahestehende Organisation demonstriert regelmäßig, unter anderem für die Freilassung des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan. „Im Normalfall sind das ziemlich kleine und fade Demos“, sagt Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger. Da sei nur der harte Kern unterwegs. „Aber wenn der Konflikt gerade besonders groß ist, können es sehr viel mehr werden.“

Der Streit um die Schlagzeile

Bereits am Samstag vor einer Woche war der österreichische Geschäftsträger in Ankara ins türkische Außenministerium zitiert worden, wegen eines "anstößigen" Berichtes über die Türkei, wie ein Ministeriumssprecher erklärte. Grund waren demnach Fotos auf sozialen Netzwerken, die einen elektronischen News-Ticker am Flughafen Wien-Schwechat mit der Schlagzeile "Türkei erlaubt Sex mit Kindern unter 15 Jahren" zeigten.

Die offensichtliche Grundlage der inkriminierten Schlagzeile war, dass der türkische Verfassungsgerichtshof eine Bestimmung aufhob, die sexuelle Handlungen an Kindern unter 15 Jahren als sexuellen Missbrauch unter Strafe stellte. Ein Bezirksgericht hatte die Höchstrichter mit der Begründung angerufen, die geltenden Gesetze machten keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen. Kinderrechtsexperten protestieren gegen die Entscheidung.

Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei Mitte Juli sind die Beziehungen zwischen der Türkei und Österreich angespannt. Die Türkei warf Österreich "radikalen Rassismus" vor, nachdem sich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen hatte. "Wir wissen, dass die demokratischen Standards der Türkei bei weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen", hatte Kern gesagt. Die seit 2005 laufenden Beitrittsgespräche mit der Türkei seien "diplomatische Fiktion".

(Red.)

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