Wie ein Putin-Berater den Ukraine-Konflikt angeheizt haben soll

Sergej Glasjew
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Sergej Glasjew wird die Organisation von Protesten in der Ukraine im März 2014 vorgeworfen, um einen Vorwand für Russlands Einmarsch zu schaffen.

Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine nehmen weiter zu: Für ihre Rolle bei der Krim-Annexion und den Ereignissen in der Ostukraine haben Ankläger in Kiew Strafverfahren gegen den prominenten Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Sergej Glasjew, Russlands Verteidigungsminister Sergej Schojgu sowie zahlreiche Militärs eingeleitet. Dies teilte Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko am Montag mit.

Nachdem Kiew der Ernennung eines neuen russischen Botschafters seine erforderliche Zustimmung versagt hatte, und Russland der Ukraine vorwarf, auf der Krim Terroranschläge vorzubereiten, gehen nun ukrainische Staatsanwälte in die Offensive, die vor allem öffentlichkeitswirksam sein dürfte: Die Militärstaatsanwaltschaft in Kiew beschuldigt 18 hochrangige Vertreter der Russischen Föderation, Terrororganisationen gegründet und finanziert, einen Aggressionskrieg vorbereitet und geführt zu haben, sowie für Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein.

Keine Festnahmen wegen Auslieferungsverbot

Die Verdächtigen seien zwischen 8. und 15. August per Email und mit Hilfe eines Kurierdienstes an Dienstadressen in Moskau über ihren Status informiert worden, sagte Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko am Montag in Kiew. Die Anklagebehörde fordere Haftbefehle, über die ukrainischem Gerichte zu entscheiden hätten. Tatsächliche Festnahmen gelten freilich als nahezu ausgeschlossen - nicht nur aus politischen Gründen: Russlands Verfassung verbietet explizit die Auslieferung eigener Bürger an andere Staaten.

Detaillierte Vorwürfe präsentierte Luzenko in Bezug auf den prominenten Wirtschaftswissenschafter und ehemaligen Duma-Abgeordneten Sergej Glasjew, der seit 2012 offiziell als Berater von Präsident Wladimir Putin in der russischen Präsidentschaftskanzlei beschäftigt ist. Glasjew gilt als rechter Hardliner und hat wiederholt öffentlich für ein aggressives Vorgehen gegen Kiews neue Machthaber plädiert.

Mutmaßliche Telefongespräche des Beraters, die am Montag von der Kiewer Anklagebehörde veröffentlicht wurden, suggerieren, dass Glasjew im Februar und März 2014 aber auch bei der Krim-Annexion sowie bei der Organisation pro-russischer Proteste in der Ukraine eine sehr wichtige Rolle gespielt hat. In einem mit 6. März 2014 datierten Telefonat maßregelt der Putin-Berater etwa den von Kiew nicht anerkannten Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow. Letzterer macht in diesem Gespräch kein Hehl daraus, dass er das für 16. März angesetzte Referendum über eine Wiedervereinigung der Halbinsel mit Russland in enger Abstimmung mit Moskau durchführt.

"Gewalt zur Unterstützung der Bevölkerung"

Brisant sind jedoch insbesondere Gespräche Glasjews mit einem russischen Mitstreiter sowie mit pro-russischen Aktivisten, in denen von einer Finanzierung pro-russischer Proteste in Charkiw und Odessa durch Moskau die Rede ist. Einem Aktivisten in Odessa gibt er Anweisungen, das Lokalparlament zu besetzen und Abgeordnete zu Beschlüssen gegen die neuen Machthaber in Kiew zu zwingen.

In einem weiteren Telefonat fordert Glasjew einen Gesprächspartner im ostukrainischen Saporischschja zu energischen Handlungen auf und erklärt, einen Auftrag der "Führung" zu haben, die Bevölkerung der Ukraine, dort wo dies möglich sei, zu pro-russischen Demonstrationen zu bewegen. Ohne Proteste könnten keine russischen Truppen in der Ukraine einmarschieren.

"Wir setzen unsere Gewalt nur zur Unterstützung der Bevölkerung ein. Wenn es diese Bevölkerung nicht gibt, kann es auch keine Unterstützung geben", erklärt eine Stimme, die wie jene Glasjews klingt. Unter "Führung" ließe sich im vorliegenden Kontext insbesondere Wladimir Putin verstehen.

"Nur die Spitze des Eisbergs"

Glasjew verweigerte am Montag gegenüber russischen Medien zunächst Kommentare zu den Vorwürfen. Experten wie der ukrainische Politikwissenschafter Anton Schechowtsow (Shekhovtsov) gehen von der Authentizität der Tondokumente aus. "Da 18 Personen beschuldigt werden ist das bisher Veröffentlichte meines Erachtens nur die Spitze des Eisbergs", erklärte Schechowtsow gegenüber der APA.

Auffällig ist, dass sich in allen von der Kiewer Generalstaatsanwaltschaft veröffentlichten und Glasjew zugeschrieben Telefonaten der zweite Gesprächsteilnehmer jeweils in der Ukraine befand. Der ukrainische Geheimdienst SBU hatte somit auch stets eine hypothetische Abhörmöglichkeit.

(APA)

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