Friedensschluss nach 52 Jahren in Kolumbien

CUBA-COLOMBIA-FARC-PEACE ACCORD
CUBA-COLOMBIA-FARC-PEACE ACCORD(c) APA/AFP/YAMIL LAGE
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Die Regierung hat mit den Farc-Guerillas zu Ende verhandelt, ihnen wird politische Mitsprache garantiert. Im Oktober sollen die Bürger mit einer Abstimmung den Frieden absegnen.

BuenosAires/Havanna. „Heute beginnt das Ende der Leiden, des Schmerzes und der Tragödie des Krieges!“ Dienstagabend sprach Kolumbiens Präsident, Juan Manuel Santos, die Worte, die wohl schon seit Jahren durch seinen Kopf gehen. Und die er immer wieder zurückhalten musste, weil sich die komplizierten Verhandlungen in Havanna immer wieder verzögerten. Doch nun scheint es gelungen, einen Schlussstrich unter eines der letzten unbeendeten Kapitel des 20. Jahrhunderts zu ziehen – den Krieg zwischen den 1964 formierten Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Farc) und dem kolumbianischen Staat, in dem 260.000 Menschen umkamen, Hunderttausende verletzt und verstümmelt wurden und der fast sieben Millionen Menschen von Höfen und Feldern vertrieb.

Drei Jahre und zehn Monate währten die Verhandlungen in Oslo und Havanna. Noch Stunden vor der Präsentation wurden Details fixiert. Die letzte Verhandlungsphase war für beide Seiten extrem aufreibend. In der Woche vor dem Durchbruch gönnten sich beide Seiten nicht mehr als eine reguläre Mahlzeit, der Rest waren Sandwiches und Kaffee zwischen Papierstapeln und Laptops. Sämtlicher Kontakt mit der Außenwelt wurde unterbrochen.

Ein Problem war die Frage nach einer Amnestie für die Farc-Kämpfer. Die Rebellen verlangten, dass die entsprechenden Gesetze sofort verabschiedet werden. Doch die Regierung konnte sich mit dem Argument durchsetzen, dass solche Änderungen erst dann erfolgen könnten, wenn die Bevölkerung den Frieden in einem Referendum gutgeheißen habe.

Dann ging es um die politische Betätigung der Rebellen. Die Farc verlangte feste Posten im Senat und den Parlamenten von Departements und Kommunen. Die Regierung bestand darauf, dass sich die Marxisten auch den Wahlen zu stellen haben. Nun verkündete Präsident Santos, dass die zivilen Nachfolger der Guerilla während der kommenden zwei Legislaturperioden garantiert politisch vertreten sein werden. Bis zu den kommenden Wahlen 2018 dürfe ein Delegierter des Farc-Nachfolgers im Kongress mitsprechen, aber nicht abstimmen.

Schwere Wiedereingliederung

Für die nächsten beiden Regierungsperioden gilt: Falls die Marxisten nicht die Drei-Prozent-Hürde schaffen, werden ihnen dennoch jeweils fünf Posten im Kongress und im Senat garantiert.

Das dornigste Kapital war offenbar die Frage der Wiedereingliederung der Rebellen in die Zivilgesellschaft. Während die Farc verlangte, dass ehemalige Guerilleros gruppenweise reintegriert werden sollten, wollte die Regierung individuelle Lösungen. Bogotá bot an, ehemaligen Kämpfern neben Schule und beruflicher Weiterbildung auch psychosoziale Hilfe angedeihen zu lassen. Wohl auch um zu verhindern, dass sich diese Kämpfer, wie die vor zehn Jahren abgerüsteten Paramilitärs, zu Verbrecherbanden zusammenschließen. Jahrzehntelang hat die FARC ihren Kampf mit Drogenhandel und Entführungen finanziert, über Wissen und Kontakte dürften viele Kämpfer verfügen.

Im Abkommen von Havanna verpflichtet sich die Guerilla freilich zum endgültigen Abbruch aller Kontakte zum Drogenhandel. Außerdem sagten die Guerilleros zu, dass sie alle Waffen binnen sechs Monaten den Vereinten Nationen aushändigen werden.

Donnerstagvormittag übergab Präsident Santos im Capitolio in Bogotá den Kongressabgeordneten das Dokument aus Havanna. Dass die Deputierten es billigen werden, gilt als ausgemacht, auch wenn Santos' Vorgänger und ehemaliger Förderer, Álvaro Uribe, den Friedensschluss stets als Kotau vor dem Terrorismus abgelehnt hat. Santos wird die Parlamentarier bitten, ein Referendum einzuberufen, um die Kolumbianer an der Entscheidung zu beteiligen.

Nach all den Jahren und all den Schrecken gibt es kaum Familien in Kolumbien, die nicht auf irgendeine Weise Opfer dieses Konfliktes wurden, darum werden viele Bürger nur mit erheblichen Bedenken dem Kompromiss zustimmen, der für viele Farc-Kämpfer leichte Strafen vorsieht und der einstigen Entführertruppe auch noch politische Mitbetätigung einräumt. Nachdem aber inzwischen selbst der Hardliner Uribe einräumt, dass der Krieg mit militärischen Mitteln wohl nicht zu gewinnen sei, dürften viele Kolumbianer den Havanna-Frieden mit Bauchschmerzen akzeptieren. Die jüngsten Umfragen lagen bei 60 Prozent Zustimmung.

Farc berät intern

Während die Regierung die Volksabstimmung organisiert, die, so Santos, am 2. Oktober stattfinden soll, wird auch die Farc ihre Kader abstimmen lassen. Dazu sollen die ersten drei Kommandostufen sämtlicher Farc-Kampfverbände an einem geheimen Ort im Süden des Landes zusammenkommen. Wenn es dort Zustimmung gibt, soll der Havanna-Text von beiden Seiten Ende September unterzeichnet werden.

AUF EINEN BLICK

Der Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Farc-Guerilla soll den längsten Konflikt Lateinamerikas beenden, der 52 Jahre gedauert hat. Am 2. Oktober muss noch die Bevölkerung zustimmen. Derzeit befürwortet die Mehrheit das Abkommen. Innerhalb von sechs Monaten sollen die Rebellen nun unter Aufsicht der UN ihre Waffen abgeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)

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