US-Jets gegen Syrer: "Er hatte keine Ahnung, dass ich da war"

Mit Raptors ist nicht gut Kirschen essen
Mit Raptors ist nicht gut Kirschen essenAFCENT Combat Camera Team (Staff Sgt. Michael B. Keller)
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Interessante neue Details zum Luftzwischenfall von voriger Woche zwischen syrischen "Fencer"-Bombern und amerikanischen F-22 "Raptor"-Jägern: Die Syrer sahen die Verfolger in ihrem Nacken nicht.

Von dem Luftzwischenfall über Nordostsyrien am Freitag voriger Woche, bei der zwei syrische Bomber auf zwei amerikanische Jagdflugzeuge trafen und beinahe abgeschossen worden wären, wurden nun interessante Details bekannt: Wie die beiden US-Piloten nämlich im Gespräch mit der Zeitung "USA Today" anonym auspackten, flogen sie den Syrern sehr dicht auf den Pelz, bis auf wenige hundert Meter, ohne dass die das merkten. Man hätte die Syrer abschießen können, ohne dass diesen das bis Sekunden vor dem Einschlag, wenn überhaupt, bewusst geworden wäre.

Die Vorgeschichte: Donnerstag, 18. August, hatten syrische Flugzeuge kurdische Truppen in der Provinz Hasakah angegriffen, jener Region, die sich wie ein Dorn im Nordosten Syriens zwischen die Türkei und den Irak schiebt. Die Kurden dort werden von US-Spezialeinheiten unterstützt, die Rede ist von mindestens 300 Mann, die zusammen mit den Kurden auch ein Flugfeld für lokale Operationen ausgebaut haben; es wird unter anderem mit der nahenden Schlussoffensive irakischer und kurdischer Truppen sowie ausländischer Special Forces gegen die IS-Hochburg Mossul im Nordirak noch bedeutsam sein.

Da die Bombardements der Syrer auch in der Nähe von Amerikanern einschlugen, wurden US-Jagdflugzeuge herbeibeordert, die fortan Patrouillen zum Schutz der Bodeneinheiten flogen. Die syrischen Bomber hatten übrigens Funksprüche nicht erwidert und die Amerikaner ließen Damaskus wissen, dass Flugzeuge des Regimes den Luftraum über Hasakah besser meiden sollten.

Auftritt von "Fencer" Nummer 1

Am Nachmittag des Freitag, 19. August, tauchte erneut ein Syrer auf: ein schon angejahrter taktischer Bomber Typ Suchoi Su-24 "Fencer". Darauf näherten sich zwei US-Jäger, und zwar nicht irgendwelche, sondern Luftüberlegenheitsjäger des berühmt-berüchtigten Typs F-22 "Raptor" von Lockheed-Martin. Das ist jenes seit 2005 in der US Air Force eingeführte Flugzeug, das bis heute nach vielen Parametern, etwa "Stealth"-Fähigkeit (Unsichtbarkeit im Radar), Manövrierfähigkeit, Lagebewusstsein, normaler Marschgeschwindigkeit und Präzision beim Zupacken als bester Jäger der Welt gilt, wenngleich diese Behauptung vor allem in Russland gern herabgesetzt wird (und das nicht ganz ohne Grund, aber das ist eine andere Geschichte).

Syrische Su-24 "Fencer"
Syrische Su-24 "Fencer"Screenshot/The Aviationist
Vergleich: russische Su-24
Vergleich: russische Su-24Alexander Mishin/jetfotos.net

Nun hatte es bisher geheißen, dass die Raptors sich der Suchoi ziemlich dicht näherten und diese die Flucht ergriff, als sie die technisch um Galaxien überlegenen Amerikaner bemerkte. Es war allerdings wohl anders: Einer der Piloten, ein 30jähriger Captain (Hauptmann), funkte demnach die Fencer auf einer für solche Zwecke eingerichteten und mit den Russen vereinbarten Frequenz sowie auf anderen Kanälen an, ohne Erfolg. Die Bodenleitstelle der Amerikaner für die Region in Katar rief die russische Kontaktstelle für den Syrien-Einsatz an - dort habe man vom Flug der Syrer keine Ahnung gehabt.

Politik des Abstandhaltens

Die US-Piloten baten darauf beim Bodenkommando darum, sich der Fencer dicht an dicht nähern zu dürfen, um festzustellen, ob sie Bomben trage und/oder dabei sei, einen Angriff zu fliegen. Das ist insofern bemerkenswert, als es bisher Politik der westlich-arabischen Luftkoalition über Syrien ist, dass sich ihre Flugzeuge - außer bei eigener Bedrohung - möglichst von russischen und syrischen Maschinen fernhalten, um Zwischenfälle zu vermeiden. Diese "Abstandspolitik" ist auch ausdrücklich mit Moskau vereinbart worden, und dadurch mittelbar auch mit dem Assad-Regime.

Raptor mit offenem, aber leerem Waffenschacht
Raptor mit offenem, aber leerem WaffenschachtAllspamme/US Air Force

Nun bekamen die Raptors grünes Licht, um sich die Fencer näher anzuschaun. Eine von ihnen, Pilot war ein 38jähriger Major der Air Force, flog seitlich von hinten auf den Bomber zu und kam bis auf weniger als 600 Meter heran. Dort verharrte er etwa 15 Minuten und flog dem Syrer hinterher, der drei große Runden über ein bestimmtes Gebiet zog, aber offensichtlich, zumindest außen, keine Bomben trug und schließlich gemütlich davonflog, als habe er die Verfolger im Nacken nicht bemerkt. Und das dürfte stimmen: "Ich hab ihn drei Runden lang verfolgt", so der Major, "und er hatte wohl keine Ahnung, dass ich da war."

Und nun Fencer Nummer 2

Möglicherweise war die Fencer nur auf Aufklärungsmission. Gleich darauf tauchte jedenfalls eine zweite Su-24 in der Nähe auf, worauf sich erneut einer der Jäger dicht hinter sie setzte und sie unbemerkt verfolgte. Generalmajor Jay Silveria, der im Operationsraum in Katar die Aktion überwachte, sagte, er sei bereit gewesen, den Abschussbefehl zu geben, wenn der Syrer einen Angriff eröffnet hätte. "Ich hätte nicht gezögert", so Silveria. "Wir waren in einer perfekten Position, das durchzuziehen, und das außerdem mit ziemlich fortschrittlichen Waffen."

Generalmajor Jay Silveria
Generalmajor Jay SilveriaUS Air Force

Schließlich zeigte sich, dass die ebenfalls äußerlich unbewaffnete Suchoi auf geradem Kurs bloß eine syrische Luftwaffenbasis anflog. Auch ihre Besatzung dürfte die Raptor, den "Räuber" bzw. "Raubvogel", nicht bemerkt haben, darauf soll weder eine Flugbewegung noch ein Funkkontakt hingewiesen haben.

Nun sind die Raptors natürlich gerade darauf ausgelegt, sich dem Gegner unbemerkt zu nähern, um ihn mit einem jähen Streich vom Himmel zu holen. Jetzt allerdings wird überlegt, ob sie über Syrien nicht doch sichtbar auftreten sollten, um von vornhinein abzuschrecken, damit es zu heiklen Luftsituationen gar nicht erst kommt.

"You really ought to go home!"

Militärexperten erzählten zuletzt vor diesem Hintergrund eine nette Raptor-Story, die sich im März 2013 zugetragen haben soll. Demnach versuchten zwei iranische F-4 "Phantom"-Jäger, eine amerikanische Aufklärungsdrohne außerhalb des iranischen Luftraums über dem Persischen Golf abzuschießen. Eine Raptor näherte sich den Iranern unbemerkt, setzte sich zuerst dicht unter sie, um ihre Bewaffnung zu checken, dann backbordseitig neben sie und setzte folgenden kurzen Funkspruch ab: "You really ought to go home" - ihr solltet besser nach Hause gehn. Die Phantoms hätten sofort die Flucht ergriffen.

Von der F-22 (Erstflug 1997), in die teils utopisch wirkende Technik verbaut wurde, hätten übrigens einst mehr als 750 Stück gebaut werden sollen. Letztlich wurden es 187 zuzüglich acht Testmaschinen. Mit ein Grund: die Kostenexposion auf rund 190 Millionen Dollar pro Stück, es sollen sogar mehr als 400 Millionen sein, rechnet man die ganzen Planungs- und Entwicklungskosten ein, es ist bis heute ein schwer duchschaubarer Zahlendschungel.

Ein unbesiegbares Flugzeug?

Dafür haben die Raptors, die übrigens nicht exportiert werden dürfen - nicht einmal an enge Freunde wie Israel oder Großbritannien -, in bisherigen Luftkampfübungen auch fast keine Verluste erlitten. So wurden gegen auch nicht eben schlechte Jagdflugzeuge etwa der Typen F-16 und F-15 Abschussverhältnisse von 38:1, 108:0 und einmal sogar von 214:1 erzielt.

Blick von einem Lufttanker auf eine näherkommende durstige Raptor
Blick von einem Lufttanker auf eine näherkommende durstige Raptor(c) REUTERS (TOBY MELVILLE)

Die Angaben und Hintergründe sind allerdings bisweilen fragwürdig. Überdies behauptete die französische Luftwaffe, dass bei simulierten Luftkämpfen zwischen Raptors und "Rafales" von Dassault anno 2009 über den Arabischen Emiraten von sechs Einzelduellen (Dogfights) nur eines an eine Raptor gegangen sei, die übrigen fünf hätten unentschieden geendet. Zudem tauchten Cockpitvideoaufnahmen aus einer Rafale auf, die sogar einen möglichen Luftsieg über einen Raubvogel andeuten.

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