Mitterlehner: "Die Türkei ist nicht EU-beitrittsfähig"

Die ÖVP-Spitze (Kurz, li., Mitterlehner, re.) versucht die Initiative in der Türkei-Frage zu behalten und legt ein EU-Türkei-Papier vor.
Die ÖVP-Spitze (Kurz, li., Mitterlehner, re.) versucht die Initiative in der Türkei-Frage zu behalten und legt ein EU-Türkei-Papier vor.REUTERS
  • Drucken

Die ÖVP stellt Alternativen für die Türkei vor: eine Interessensunion mit vertiefter Wirtschafts- und Sicherheitspolitik - ohne Personenfreizügigkeit.

Die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei sind in den letzten Wochen deutlich abgekühlt. Die Türkei warf Österreich "radikalen Rassismus" vor, nachdem sich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen hatte. Die ÖVP legte nun ein Konzept für den Umgang mit der Türkei vor auf EU-Ebene vor, das der "Presse" vorliegt. Darin ist von einer "maßgeschneiderten Europäisch-Türkischen Interessensunion (ETI)" die Rede und von einem klaren Nein zu einem EU-Beitritt. Sollte trotz der aktuellen Entwicklungen jemals ein türkischer EU-Beitritt anstehen, müsse es eine Volksabstimmung geben, heißt es in dem ÖVP-Papier.

"Die Türkei ist auf absehbare Zeit nicht beitrittsfähig, bleibt aber ein wichtiger regionaler und wirtschaftlicher Partner", betont ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Die Türkei habe sich in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundwerte in den letzten Jahren noch weiter von der EU Enfernt. Die Reaktion auf den Putschversuch der türkischen Regierung habe die Situation weiter verschärft, heißt es in dem Papier. Eine Partnerschaft sei "sinnvoller und realistischer als an einer utopischen Beitrittsperspektive festzuhalten".

Erneuertes Assoziierungsabkommen

Als Basis einer Partnerschaft könne die Zollunion EU-Türkei aus dem Jahr 1996 und das Assoziierungsabkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Türkei aus dem Jahre 1963 dienen. Die ÖVP schlägt vor, das Assoziierungsabkommen mit einem politischen Teil, einem Ausbau der Zollunion und der Definition weiterer Kooperationsbereiche zu ergänzen. Als Organe dieser Interessensunion würden ein gemeinsamer Ausschuss, der EU-Türkei-Rat und ein gemeinsamer parlamentarischen Ausschuss dienen.

Die Zollunion könnte auf weitere Warengruppen wie nicht-verarbeitetete Landwirtschaftsprodukte, Kohle und Stahl ausgeweitet werden, schreibt die ÖVP. Als wichtiger Investor und Außenhandelspartner habe Österreich großes Interesse an mehr Kapitalverkehrsfreiheit. Bei den anderen EU-Freiheiten sieht die ÖVP keinen Bedarf für Änderungen. Personenfreizügigkeit mit der Türkei soll es keine geben, auch keine Ausweitung der Dienstleistungsfreiheit.

Die ÖVP kann sich aber eine engere Zusammenarbeit zwischen EU und Türkei im Bereich der Sicherheitspolitik vorstellen. Türkische Berhöden sollen in Netzwerke eingebunden werden, "ohne deshalb den Schengen-Raum für freien Reiseverkehr aus der Türkei zu öffnen". Die Visaliberalisierung bleibe an die Erfüllung aller Kriterien gebunden.

Ähnliches hatte auch Bundeskanzler Kern zuletzt gefordert. Er warb bei der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini für eine neue Position der EU gegenüber der Türkei. Es gehe um eine "realistische Fortsetzung" der Beziehungen. Das müsse die Sicherheitspolitik, die Migrationspolitik und die Wirtschaftspolitik umfassen, aber nicht einen EU-Beitritt.

(klepa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hahn appelliert an die türkische Regierung: „Die Aufschaukelung der Stimmung bei geringsten Anlässen ist nicht sinnvoll.“
Europa

Johannes Hahn: „Die Sorge zur Türkei war berechtigt“

Erweiterungskommissar Johannes Hahn fordert von Ankara eine Entscheidung, ob es die EU-Mitgliedschaft noch anstrebt.
Außenpolitik

Türkei beschießt syrische Kurden und IS

Die türkische Armee hat Stellungen der von den USA unterstützten kurdischen Milizen in Nordsyrien beschossen. Im Nordosten Syriens einigten sich Kurden und Regime unterdessen auf eine Waffenruhe.
US-Vizepräsident Joe Biden.
Außenpolitik

US-Besuch bei einem „gestressten“ Freund

US-Vizepräsident Joe Biden reist nach Ankara. Seit dem Putschversuch kriselt es zwischen den langjährigen Verbündeten.
Leitartikel

Der türkische Kleinkrieg mit Österreich wird langsam lächerlich

Öcalan-Fahnen haben in Wien nichts verloren. Aber dass Ankara wegen einer kurdischen Mini-Demo die Beziehungen zu Österreich infrage stellt, ist absurd.
Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan will die Vorgänge rund um die Kurden-Demonstrationen in Wien von seinem Botschafter erfragen.
Außenpolitik

Außenamt bereit für Gespräche mit der Türkei

Das Außenamt bestätigt, dass die Kurdendemonstration Auslöser für den Abzug des Botschafters war. Außenminister Kurz will seine Türkei-Politik nicht ändern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.