Usbekistan sucht einen Nachfolger

Islam Karimow regiert Usbekistan seit mehr als 25 Jahren. Er war schon zu Sowjetzeiten am Ruder.
Islam Karimow regiert Usbekistan seit mehr als 25 Jahren. Er war schon zu Sowjetzeiten am Ruder.(c) REUTERS
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Angst vor einer Destabilisierung herrscht in der postsowjetischen Republik nach einer Gehirnblutung von Staatschef Islam Karimow. Offiziell ist kein Amtsnachfolger für den Langzeitpräsidenten bekannt.

Astana/Taschkent. Seinem Volk hat Islam Karimow stets suggeriert, dass seine Herrschaft ewig währt. Als allmächtiger Landesvater blickte er im ganzen Land von Plakaten seinen Bürgern über die Schulter. Seit 1991 Präsident von Usbekistan, hat er sich zum starken Mann stilisiert und die Macht in dem zentralasiatischen Land in seinen Händen konzentriert. Umso beunruhigender die dürre Nachricht, die die Taschkenter Regierung am Sonntag verlautete. Der 78-Jährige sei in ein Krankenhaus eingeliefert worden, hieß es, die Behandlung werde „eine bestimmte Zeit“ dauern.

Medien berichteten, Karimow habe Freitagnacht nach einem Bankett zu Ehren usbekischer Olympiasieger einen Schlaganfall erlitten. Seine Tochter Lola Karimowa sprach am Montag von einer Gehirnblutung. „Es ist zu früh, um Aussagen über seine künftige gesundheitliche Lage zu machen“, schrieb sie auf Instagram.

„Jedem ist klar, dass die Lage sehr ernst ist“, sagt Daniyar Kosnazarow, Mitgründer des kasachischen Thinktanks Sinopsis, gegenüber der „Presse“ in Astana. Offizielle Informationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten waren in dem Staat bisher ein Tabu. Zuletzt war Karimow im Staats-TV am 17. August erschienen. Die ungewöhnliche Offenheit könnte auch mit den Feiern zum 25. Jubiläum der Unabhängigkeit Usbekistans am 1. September zusammenhängen, in deren Rahmen ein Auftritt des Staatschefs vorgesehen war. Im Falle des Todes des Präsidenten übernimmt laut Verfassung Parlamentspräsident Nigmatilla Juldaschew die Geschäfte. Doch Autokrat Karimow hat für eines nicht gesorgt: einen offiziellen Nachfolger.

Autoritärer Pate

Karimow hatte schon in der Sowjetära einen Sitz im Moskauer Politbüro inne. Wie die meisten anderen Langzeitpräsidenten in den zentralasiatischen Republiken hat er sich seit 1991 als säkularer und autoritärer Herrscher positioniert, der seine Familie in zentrale Machtpositionen hievte. Die politische Opposition und unabhängige Medien wurden ausgeschaltet.

Als Sicherheitsgefahr gelten islamistische Bewegungen, die in dem 32 Millionen Einwohner zählenden Staat seit den 1990ern Fuß gefasst haben. Die Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) verübte in der Vergangenheit mehrere Anschläge; IMU-Extremisten haben zudem auf zentralasiatischen Konfliktschauplätzen mitgemischt. Mittlerweile hat die IMU dem Islamischen Staat Gefolgschaft geschworen, Hunderte Usbeken dürften auf IS-Seite kämpfen. Im Land selbst werden konservative religiöse Strömungen, die dem von staatlicher Seite propagierten Islam nicht entsprechen, hart verfolgt.

Brutal griff die Armee im Jahr 2005 in Andischan im stark islamisch geprägten Ferganatal durch, als sie in eine Menge von Demonstranten schoss. 187 Menschen wurden getötet. Karimow versuchte, das Blutbad als Kampf gegen den Terror zu präsentieren, doch international wurde Kritik laut. Als Folge der Affäre musste Washington seinen Luftwaffenstützpunkt in Karschi-Chanabad räumen.

Größer als jene der von den Behörden stets beschworene islamistische Machtergreifung könnte nun freilich die Gefahr eines internen Machtkampfs sein. Beobachter befürchten, dass bei der Amtsübergabe nicht alles glatt läuft. Karimows Töchter empfehlen sich nicht für die Nachfolge: Lola Karimowa ist als Unesco-Botschafterin in Paris ein politisches Leichtgewicht; die als Sängerin und Modeschöpferin bekannte Gulnara sieht sich selbst in Usbekistan Korruptionsvorwürfen ausgesetzt und steht laut BBC unter Hausarrest. Als ernsthafte Kandidaten gelten Premierminister Schafkat Mirzijajew und Finanzminister Rustam Azimow, beide aus dem engen Kreis Karimows. Ohne den starken Mann Karimow, der in vielen Dingen einen Sonderweg Usbekistans durchsetzte, könnte das Land wieder stärker dem russischen Einfluss ausgesetzt sein.

Analyst Kosnazarow befürchtet mittelfristig eine instabilere Zukunft: „Vermutlich wird sich die politische und wirtschaftliche Elite Usbekistans auf einen Nachfolger einigen. Langfristig gesehen könnten dennoch Konflikte innerhalb der Elite ausbrechen.“ Die Entwicklungen im einwohnerstärksten Land Zentralasiens (32 Mio.) könnten Auswirkungen auf die ganze Region haben. Grenzstreitigkeiten – etwa im multiethnischen Ferganatal – könnten aufflammen. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht könnten Konsequenzen für die Nachbarschaft drohen, so Kosnazarow: „Wenn etwa die Grenzen zu Kasachstan geschlossen werden, würde das die Bewegungsfreiheit von Menschen, vor allem Migranten, betreffen. Umgekehrt kauft Kasachstan viel Obst und Gemüse von Usbekistan; wenn der Handel erliegt, wird das die Preise beeinflussen.“

Ein Abgang Karimows wäre der Anfang vom Ende der Generation postsowjetischer Politiker. Auch im Falle von Kasachstan, wo Langzeitherrscher Nursultan Nasarbajew im 77. Lebensjahr steht, ist die Nachfolgefrage offiziell ungeklärt. Die unklaren Zukunftsaussichten in Taschkent seien ein Weckruf für die kasachische Elite, sagt Daniyar Kosnazarow: „Die Entwicklung sollte Nasarbajew einen Denkanstoß geben, da man auch hier politischen Wechsel erwartet. Niemand will Chaos im zweiten zentralasiatischen Schlüsselland.“

Zur Person

Islam Karimow (geboren am 30. Jänner 1938) deklarierte nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Michail Gorbatschow am 31. August 1991 die Unabhängigkeit Usbekistans. Er war damals Mitglied im Politbüro der KPdSU und Parteichef in Usbekistan. Seither regiert der gelernte Volkswirt und Maschinenbauer die postsowjetische Republik mit eiserner Hand. Er ließ seine Amtszeit mehrmals verlängern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2016)

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