Der Krieg in Syrien und Amerikas Dilemma

Der Wald vor lauter Bäumen: US-Außenminister Kerry bemüht sich mit diplomatischen Mitteln um ein Ende des Krieges. Doch die USA haben selbst keine klare Linie gefunden.
Der Wald vor lauter Bäumen: US-Außenminister Kerry bemüht sich mit diplomatischen Mitteln um ein Ende des Krieges. Doch die USA haben selbst keine klare Linie gefunden.(c) AFP
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Das Morden in der Levante legt die Schwächen der Obama-Doktrin offen: Abwendung vom Nahen Osten, Unterschätzung des Gegners, problematische Bündnisse.

Washington. Wenn man versucht, die außenpolitische Denkweise von Präsident Barack Obama auf eine knackige Devise einzudampfen, bietet sich jenes Motto an, das aus den Couloirs des Weißen Hauses nach außen gespielt wird: „Don't do stupid stuff“.

Keinen Blödsinn machen: Obamas Denken und Entscheiden muss man durch das Prisma des Irak-Krieges sehen. Die Beseitigung des Baath-Regimes schuf ein Schwarzes Loch inmitten des Nahen Ostens, aus dem der Islamische Staat ebenso hervorkroch, wie die regionale Konkurrenz zwischen dem sunnitischen Saudiarabien und dem schiitischen Iran sich in einer Folge von Stellvertreterkriegen verschärfte, im Irak selbst ebenso wie im Jemen und nebenan in Syrien. Versprengte Terroristen der al-Qaida im Irak bilden, gemeinsam mit Offizieren aus Saddam Husseins Militärgeheimdiensten, den Kern des Islamischen Staates.

Folgenschwere Irrtümer

Der Irak-Krieg hat das ohnehin fragile Gleichgewicht im Nahen Osten erschüttert, doch er hat auch die Vereinigten Staaten traumatisiert. „Der Irak-Krieg hat viele in meiner Generation gelehrt, dass Demokratie ein hohles, scheinheiliges Ideal ist, und dass die amerikanische Macht eine Kraft für das Böse ist“, hielt der „Economist“- und Bloomberg-Kommentator Noah Smith dieser Tage fest.

Alles, nur ja kein zweites Irak: So sah Obama das syrische Menschenschlachten, das im Jahr 2011 mit ein paar Buben begann, die in der Stadt Daraa regimekritische Graffiti an Häuserwände sprühten und dafür von Bashar al-Assads Häschern gefoltert wurden, und 400.000 Tote später kein Anzeichen für eine Ende erkennen lässt.

Doch im Versuch, die Gewalt in Syrien nicht durch hastiges Eingreifen zu verschärfen, begingen Obama und seine Berater immer wieder schwere Fehler, die genau das Gegenteil der erhofften Deeskalation brachten. Das begann am 18. August 2011 mit Obamas erster offizieller Stellungnahme zu dem Konflikt. „Die Vereinigten Staaten sind vom Streben des syrischen Volkes nach einem friedlichen Übergang zur Demokratie inspiriert“, hob Obama an. „Um des syrischen Volkes willen ist die Zeit für Präsident Assad gekommen, um abzutreten.“

Für Assad und seine alewitische Minderheit musste das wie eine existenzielle Drohung klingen. Schon zuvor hatte Assad inhaftierte Jihadisten (darunter besagte Kämpfer der irakischen al-Qaida) und andere Schwerkriminelle freigelassen, um die aufmüpfigen Bürger zu peinigen. Doch zugleich waren die Worte des Präsidenten für Assad beruhigend. Washington werde nicht intervenieren, der Regimewandel sei allein Sache der Syrer, betonte Obama.

Das gab Assad die Gewissheit, von US-Militärschlägen unbehelligt gegen seine Gegner vorzugehen – etwas, was selbst der damalige US-Botschafter in Damaskus für undenkbar hielt. „Assad ist kein Gaddafi. die Wahrscheinlichkeit für massenhafte Gewalttaten ist gering. Das syrische Regime wird auf Herausforderungen aggressiv reagieren, aber den Einsatz tödlicher Gewalt zu minimieren versuchen“, teilte Robert Ford Obama im März 2011 mit. „Er sollte auf schreckliche Weise widerlegt werden“, bemerkte der damalige Verteidigungsminister, Robert Gates, dazu in seinen Memoiren.

Assad verschärfte das Morden. Und die USA sahen zu – selbst nach dem wiederholten Einsatz von Giftgas. Obamas Drohung, damit wäre eine rote Linie überschritten, verpuffte in einer hastig improvisierten Einladung an Russland, gemeinsam Syriens Giftwaffenbestände zu entsorgen.

Keine guten Lösungen

Heute gibt es für die USA keine guten Optionen, um den syrischen Krieg zu beenden. Diplomatische Initiativen von Außenminister John Kerry ermöglichen (sofern sie überhaupt respektiert werden) den Konfliktparteien bestenfalls kurze Ruhepausen, um erneut weiterzukämpfen. Die Hoffnung, gemäßigte syrische Rebellen zu rüsten, ist angesichts deren gezielter Verfolgung durch Assads Truppen sowie seine russischen und iranischen Verbündeten und den IS passé. Und sollte Washington gehofft haben, dass die stark von Kurden geprägten Syrian Democratic Forces jener verlässliche Partner im Kampfgebiet sind, der mit US-Luftschlägen gestützt bestehen kann, so haben die Angriffe türkischer Truppen auf kurdische Stellungen im Nordwesten Syriens am Wochenende für Ernüchterung gesorgt. „Wir finden diese Zusammenstöße inakzeptabel“, teilte Brett McGurk, der US-Sondergesandte für den Kampf gegen den IS, mit. Mehr als wortreichen Protest hat Washington gegen Nato-Partner Türkei derzeit nicht im Köcher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2016)

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