Incirlik: Steinmeier droht mit Ende deutschen Anti-IS-Einsatzes

Ein deutscher Tornado am türkischen Luftwaffenstützpunkt.
Ein deutscher Tornado am türkischen Luftwaffenstützpunkt.REUTERS
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Sollte Ankara deutsche Abgeordnete nicht zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik lassen, werde Deutschland den Bundeswehreinsatz im Anti-IS-Kampf beenden.

Die Bandagen im Streit um den deutschen Luftwaffenstützpunkt im türkischen Incirlik werden immer härter: Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat der Türkei mit dem Ende des Bundeswehreinsatzes im Anti-IS-Kampf gedroht, wenn den Bundestagsabgeordneten weiter der Besuch des Stützpunktes Incirlik verweigert werde.

Wenn der Bundestag weitere Mandate für den Auslandseinsatz in Incirlik beschließen solle, müssten Abgeordnete auch den Standort besuchen können, sagte er am Montag in der ARD. Die Bundesregierung könne nicht von Abgeordneten erwarten, einem Mandat zuzustimmen, wenn die für Verteidigung und Sicherheit zuständigen Abgeordneten nicht die Möglichkeit hätten, die Bedingungen vor Ort zu überprüfen. Er werde versuchen, die Türkei davon zu überzeugen, die Reisen der Ausschussmitglieder zu ermöglichen.

Steinmeier wies auch die Forderung des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu nach einer Distanzierung der Bundesregierung von der Armenien-Resolution als Bedingung für Besuchserlaubnisse zurück. "Ich sehe nicht diesen unmittelbaren Zusammenhang und das habe ich dem türkischen Kollegen auch gesagt." Cavusoglu hatte in Ankara erklärt: "Wenn sie die notwendigen Schritte einleiten, werden wir den Besuch erlauben." Wer sich allerdings in die türkische Geschichte einmische und sie verfälsche, werde keine Erlaubnis bekommen.

Auf dem Stützpunkt Incirlik in der Südtürkei sind deutsche Aufklärungsmaschinen und ein Tankflugzeug stationiert. Sie unterstützen die von den USA angeführte Koalition im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Seit der Verabschiedung der Armenien-Resolution im Bundestag im Juni hat die Türkei Abgeordneten den Besuch des Stützpunkts untersagt. In der Resolution werden die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich als Völkermord gewertet.

Oettinger gegen EU-Beitritt unter Erdogan

Auch von anderer Seite kommen aus Deutschland harte Worte an die Türkei: Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hält einen Beitritt der Türkei zur EU unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht mehr für möglich. "Das wird wohl eher ein Thema für die Zeit nach Erdogan", sagte Oettinger in einem am Dienstag veröffentlichten "Bild"-Interview. Unter den derzeitigen Bedingungen sei ein Beitritt "weit bis ins nächste Jahrzehnt hinein nicht realistisch".

Dennoch bleibe die Türkei für die EU ein geostrategisch und wirtschaftlich wichtiges Land. Gute Beziehungen seien wichtig.

Gleichzeitig stellte Oettinger eine Aufhebung der Visumspflicht für alle Türken bis Oktober infrage. Noch habe die Regierung in Ankara nicht alle Bedingungen für die Visafreiheit erfüllt, erklärte der EU-Kommissar. "Vor allem bei der Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze kann es keinen Rabatt von unserer Seite geben. Für uns gehen Rechtsstaatlichkeit und Genauigkeit vor Schnelligkeit. Wenn die Türkei mehr Zeit für die Änderung der Gesetze braucht, ist das eben so."

Sorge über Fluchtwelle nach Putsch

Nach Lesart der türkischen Regierung ist die Visafreiheit eine Gegenleistung für das Abkommen, mit dem die Migration vor allem aus Syrien und dem Irak nach Europa über die Balkan-Route verringert wurde. Die Türkei hat auf eine Visafreiheit ab Oktober gepocht. Andernfalls drohe das Flüchtlingsabkommen zu platzen.

Besorgt äußerte sich der CDU-Politiker über eine mögliche Flüchtlingswelle von Türken nach dem gescheiterten Putschversuch. "Es ist nicht auszuschließen, dass sich viele Türken wegen der Säuberungswelle nach dem gescheiterten Putsch auch in der EU in Sicherheit bringen wollen. Darunter dürften vor allem entlassene Staatsdiener und Militärs, Intellektuelle und Journalisten mit ihren Familien sein."

(APA/Reuters)

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