Deutschland: Die Rechten und die ganz Rechten

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Die AfD will in Sachfragen künftig mit der NPD zusammenarbeiten. Auch sonst verschwimmen die Grenzen zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen immer mehr.

Berlin/Schwerin. AfD-Chef Jörg Meuthen ist am Dienstag bei einem Bühnenauftritt in Niedersachsen mit einer tiefgefrorenen Torte beworfen und leicht am Kopf verletzt worden. Nach einigen Minuten konnte er seine Rede fortsetzen – ein anwesender Arzt hatte ihn erstversorgt. Und nein, es war nicht Ko-Parteichefin Frauke Petry, mit der Meuthen nicht gerade das beste Verhältnis hat, sondern ein 17-Jähriger aus der linken Szene.

Nach der Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch (AfD) im Februar, Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und dem streitbaren SPD-Politiker Thilo Sarrazin im Mai nun also Jörg Meuthen: Tortenwerfen zum Zweck des politischen Protests ist in Deutschland in Mode gekommen – genau wie die AfD, die am Sonntag in das neunte Landesparlament einziehen wird. Nämlich in Mecklenburg-Vorpommern. Die letzten Umfragen prophezeien ihr 21 Prozent und womöglich sogar Platz zwei hinter der SPD (26 bis 27 Prozent), denn die Union ist derzeit nur einen Punkt vorn (22) und die Linkspartei weit abgeschlagen (14).

Da niemand mit der AfD regieren möchte, wird sie künftig also die Opposition in Schwerin anführen. Im Hinblick auf diese Zeit hat Jörg Meuthen am Mittwoch, dem Tag nach der Tortenattacke, eine bemerkenswerte Ansage gemacht: Man halte eine strikte Abgrenzung von der NPD, die dem Landtag seit 2006 angehört, nicht für erforderlich. Die AfD werde „in der Sache abstimmen“, kündigte Meuthen im „Mannheimer Morgen“ an. „Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie wenn das bei den Linken der Fall wäre.“

Das widerspricht den Usancen in Mecklenburg-Vorpommern, da bisher alle Parteien konsequent gegen die NPD gestimmt haben, ist aber nicht unlogisch. Denn die Parallelen und Querverbindungen zwischen Rechtsextremen und Rechtspopulisten sind schon länger offensichtlich, nicht nur auf Wahlplakaten.

Wahlempfehlung für die AfD

So hat die NPD dieses Mal erst gar keine Direktkandidaten aufgestellt, weil sie sich in den Wahlkreisen keine Chancen gegen die AfD ausrechnet. Sie konzentriert sich auf die Zweitstimmen und hat ihren Wählern empfohlen, die Erststimme der AfD zu geben. Immerhin gebe es dort ja „einige ordentliche Leute“, wie NPD-Funktionär David Petereit bemerkte.

Die AfD wiederum hat keine Berührungsängste mit der NPD, gegen die gerade ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht läuft. Laut Berichten von NDR und „Süddeutscher Zeitung“ haben sich AfD-Politiker und potenzielle Sponsoren im Juni zu einem „Charity-Abend“ auf Schloss Jessenitz bei Lübtheen versammelt. Schlossherr Philip Steinbeck, ein Tanksäulenhändler, arbeitete in den 1990er-Jahren in der Kieler Landtagsfraktion der rechtsextremen Deutschen Liga für Volk und Heimat. Er pflegt eine Freundschaft zum NPD-Anwalt Jürgen Rieger und zum Fraktionschef der NPD in Schwerin, Udo Pastörs, der nur zwei Dörfer weiter wohnt. Daneben soll eine ganze Reihe anderer NPD-Größen zu dieser Spendenparty für die AfD, die Vizeparteichef Alexander Gauland eingefädelt hat, gekommen sein.

Auch auf den Wahllisten verschwimmen die Grenzen. Auf Platz drei der AfD kandidiert mit Holger Arppe ein Mann, der wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und für eine Zusammenarbeit mit den Identitären plädiert – jener rechtsextremen Bewegung, die vor Kurzem das Brandenburger Tor besetzt hat und die auch in Österreich verbreitet ist. Auf Listenplatz 23 steht Sascha Jung, ein Jurist, der wegen rechtsextremistischer Aktivitäten nicht in den bayrischen Staatsdienst eintreten durfte.

Angesichts dessen wirkt es nicht sonderlich glaubwürdig, wenn Spitzenkandidat Leif-Erik Holm, ein ehemaliger Radiomoderator, wieder einmal betont, dass sich die AfD von jeglicher Form des Extremismus, linkem wie rechtem, distanziere. Nicht wenige glauben, dass die NPD in der AfD aufgehen wird, sollte sie am Sonntag an der Vier-Prozent-Hürde für den Landtag scheitern. Was nicht unwahrscheinlich ist: Derzeit hält sie bei nur drei Prozent.

Gegen den 17-Jährigen, der Jörg Meuthen mit einer Torte attackiert hat, ermittelt die Polizei übrigens nicht wegen linksextremer Umtriebe. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung angezeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2016)

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