Russland-NATO: Berlin fordert Rüstungskontrolle

Sondertreffen der Au�enminister aus den OSZE-Staaten
Sondertreffen der Au�enminister aus den OSZE-Staaten(c) APA/dpa/Wolfgang Kumm
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Deutschland will Rüstungsspirale zwischen Russland und dem Westen verhindern und schlägt eine neue Vereinbarung vor. Österreich ist dafür, die USA sind skeptisch.

Potsdam. Jene Touristen, die in den vergangenen Tagen nicht Zeitung gelesen haben, werden sich unter Umständen gewundert haben, als sie am Donnerstag Potsdam besuchen wollten, aber nicht durften. Die geschichtsträchtige Innenstadt war teilweise abgeriegelt, in den Straßen tummelten sich 1000 bewaffnete Polizisten, und darüber drehte, bei bestem Wetter, ein Hubschrauber seine einsamen Runden.

Grund für die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen war ein Treffen, das die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in einem Potsdamer Hotel einberufen hatte. 40 Außenminister waren angereist, auch der Österreicher Sebastian Kurz. Die Einladung hatte Deutschland als aktuelles OSZE-Vorsitzland ausgesprochen. Aber einer, der hätte kommen sollen, war ihr nicht gefolgt: Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, ließ sich entschuldigen, obwohl die Ukraine-Krise das bestimmende Thema war.

Nach der Annexion der Krim durch Russland sei „zwischen Ost und West Vertrauen verloren gegangen“, sagte der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, in seiner Begrüßung. Um es zurückzugewinnen, schlug er die Wiedereinführung der Rüstungskontrolle vor. Seine Argumente waren Donnerstagfrüh schon im „Handelsblatt“ zu lesen gewesen: Angesichts des seit zwei Jahren andauernden Kriegs in der Ostukraine drohe „eine neuartige, gefährliche Rüstungsspirale“. Schon vor dem Konflikt sei „eine lange für überwunden gehaltene Blockkonfrontation“ zu spüren gewesen. Mit der Krim-Annexion habe Russland dann die Grundprinzipien der europäischen Friedensarchitektur infrage gestellt.

Neuer Anlauf für Feuerpause

Kurz, der sich vor den Kameras der deutschen Medien einmal mehr wohlfühlte, sicherte Steinmeier hier „volle Unterstützung“ zu. Man müsse mit Russland im Dialog bleiben. Die US-Regierung erhob allerdings umgehend Einspruch.

In einer Phase, in der Russland eine Reihe von Verträgen nicht einhalte, sollte man mit der Idee neuer Abkommen vorsichtig sein, sagte der amerikanische OSZE-Botschafter, Daniel Baer, der Außenminister John Kerry in Potsdam vertrat, gegenüber Reuters. Zuerst müsse man sicherstellen, „dass bestehende Abkommen funktionieren“. Baer hat Russland vorgeworfen, sich nicht an das sogenannte Wiener Dokument von 1990 zu halten, das wechselseitige Informationen und Inspektionen von Militäreinrichtungen vorsieht. Zuletzt gab es mehrfach Kritik, dass Russland mittlerweile 95.000 Soldaten an seiner Westgrenze zur Ukraine zusammengezogen habe.

In der Ostukraine schwiegen am Donnerstag die Waffen. Der Österreicher Martin Sajdik, der in der weißrussischen Hauptstadt mit den Konfliktparteien über die Umsetzung des Minsker Abkommens verhandelt, konnte einen seltenen Erfolg vorweisen: Mit dem gestrigen Schulbeginn in der Ukraine wird ein neuer Anlauf für eine Feuerpause unternommen. Im Vorjahr hatte die „Schulbeginn-Waffenruhe“ mehrere Wochen gehalten, Zwischenfälle waren markant gesunken. Doch die restlichen zwölf Punkte des Abkommens harren der Umsetzung. Berlin hat sein Ziel, hier voranzukommen, bisher nicht erreicht. Wenn Österreich 2017 den OSZE-Vorsitz übernimmt, wird dies zu Kurz' diffiziler Aufgabe werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2016)

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