Usbekistan: Das Vermächtnis des Despoten

Der 78-jährige Präsident des Landes, Islam Karimow, erlitt am 27. 8. eine Gehirnblutung.
Der 78-jährige Präsident des Landes, Islam Karimow, erlitt am 27. 8. eine Gehirnblutung. Imago
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Die Regierung in Taschkent zögerte mit der Bekanntgabe des Todes von Präsident Karimow. Seine Nachfolge war zunächst ungeklärt – eine Herausforderung für die ganze Region.

Wien/Samarkand. Wenn ein Despot stirbt, ist das einer jener Momente, in denen ein autoritäres Regime äußerst verwundbar ist: Die Person, die die Macht verkörpert hat, ist entschwunden, das Zentrum führungslos. Was sich dieser Tage in Usbekistan zutrug, war der leidlich erfolgreiche Versuch, diese Verwundbarkeit zu überdecken.
Der 78-jährige Präsident des Landes, Islam Karimow, erlitt am vergangenen Samstag eine Gehirnblutung. Mehrere Tage lang herrschte Unklarheit über sein Schicksal, zuletzt erklärte die Zeitung des Ministerrats, sein Gesundheitszustand sei „kritisch“. Karimow verstarb nach Angaben aus Diplomatenkreisen am Donnerstag oder Freitag. Taschkent wollte Berichte über das Ableben bis gestern Nachmittag nicht bestätigen.

Der türkische Premier, Binali Yildirim, hatte die Taschkenter Geheimniskrämer düpiert. Er kondolierte vor der offiziellen Bestätigung anlässlich des Verscheidens und erklärte, die Türkei teile „den Schmerz und die Sorge des usbekischen Volkes“. Das Begräbnis Karimows soll am Samstag in seiner Geburtsstadt Samarkand stattfinden.

Auf die Beerdigung deuteten in den vergangenen zwei Tagen umfangreiche Aufräumarbeiten, von denen Fotos in sozialen Netzwerken erschienen. Straßen waren abgesperrt, der Flughafen der bei Touristen beliebten Stadt an der historischen Seidenstraße blieb gestern geschlossen. Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew und der russische Präsident, Wladimir Putin, werden neben anderen Gästen aus dem postsowjetischen Raum in Samarkand erwartet. Offenbar wollte man durch die lange Geheimhaltung Spekulationen über den Ablauf der Nachfolge eindämmen. Er liegt nach wie vor im Dunkeln.

Auch Alleinherrscher sterben

Die restlichen starken Männer Zentralasiens dürften das Management der Machtübergabe in Taschkent aufmerksam beobachten. Denn früher oder später stellt sich diese Frage für jeden Alleinherrscher. Zentral ist die Sicherstellung des Besitzes des Familienclans sowie die Sicherung der Loyalität der wichtigsten Machtzentren wie Armee, Sicherheitskräfte und Geheimdienst. Das isolierte Turkmenistan war bereits 2006 mit dem Verlust seines absoluten Herrschers konfrontiert. Aus Regimesicht verlief die Sache glatt. Nach dem Tod des ersten Präsidenten, Saparmurat Nijazow, gelang es seinem früheren Zahnarzt Gurbanguly Berdymuhamedow seine Macht zu festigen. Berdymuhamedow hat seit seinem Amtsantritt den obskuren Kult seines Vorgängers sukzessive demontiert und stattdessen die Verehrung seiner eigenen Person eingeleitet. Er setzte sich im Vorjahr mit einer vergoldeten Reiterstatue in der Hauptstadt Aschgabat ein teures Denkmal.

Anders die Lage in Kirgistan, das seit seiner Unabhängigkeit vor 25 Jahren mehrere Machtwechsel hinter sich hat, die unter Beteiligung von Straßenprotesten stattfanden. Zwar wurden in dem Gebirgsland die Weichen für eine demokratischere Entwicklung gestellt, doch sind die politischen Institutionen schwach entwickelt und der wirtschaftliche Ausblick ist nicht gerade vielversprechend.
Die Frage der politischen Zukunft stellt sich in anderer Weise in Kasachstan und Tadschikistan. Beide Präsidenten, der bereits 77-jährige Nursultan Nasarbajew und der mit seinen 63 Jahren vergleichsweise junge Emomali Rachmon, haben per Gesetzesänderung erwirkt, dass sie unbegrenzt wiedergewählt werden können. Nasarbajew hat gar den Titel „Führer der Nation“ verliehen bekommen. Während Tadschikistan seine eigene Bevölkerung vor allem durch Armut und niedrigen Bildungsstandard klein hält sowie die politische Opposition zunehmend einschüchtert, ist das System des ressourcenreichen Kasachstan durch ein Stillhalteabkommen anderer Art geprägt: Eine gewisse Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum wird im Austausch zu politisch passivem Verhalten ermöglicht.

Ein Despot nach dem anderen

Doch die Nachfolgerfrage ist sowohl in Duschanbe als auch im kasachischen Astana ein Tabuthema, das in der Bevölkerung nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wird. „Was der Plan für die Nachfolge ist, weiß wohl nur Nasarbajew selbst“, sagt ein Beobachter, der aufgrund des sensiblen Themas lieber anonym bleiben will. Auch wenn Usbekistans Despot Karimow nicht mehr ist, scheint eine Wende des politischen Systems zu mehr Offenheit wenig wahrscheinlich. Für den nächsten Herrscher steht die unmittelbare Machtsicherung im Vordergrund. Sollten sich Teile der Elite überwerfen oder Gruppen das Machtvakuum ausnutzen wollen, könnte das unabsehbare Folgen haben – nicht nur für das Land, sondern für die ganze scheinstabile Region.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2016)

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