Syrien: Dutzende Tote trotz neuen Friedensplans

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Ab Montag soll eine neue Feuerpause gelten. Dies vereinbarten die USA und Russland nach stundenlangen Gesprächen. Doch bisher deutet wenig darauf hin, dass sich die Konfliktparteien an die Waffenruhe halten werden.

Kairo/Damaskus. Am Montagabend sollen in Syrien die Waffen schweigen, doch noch am Wochenende ging der Krieg ohne jegliche Hemmungen weiter. Mindestens einhundert Menschen starben durch Luftangriffe auf Idlib und auf den Süden von Aleppo, während im fernen Genf US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege, Sergej Lawrow, die neue Feuerpause verkündeten.

Der Waffenstillstand soll den gescheiterten Anlauf vom Februar ersetzen, auch sind die Vereinbarungen diesmal umfassender und komplexer als vor sieben Monaten. Im Zentrum des 13-stündigen diplomatischen Gesprächsmarathons der beiden Minister standen vor allem die Lage in Aleppo und den anderen 15 Hungerenklaven sowie der künftig gemeinsame Kampf gegen die jihadistischen Terrorbrigaden Islamischer Staat und al-Nusra-Front, die dem Terrornetzwerk al-Qaida nahesteht.

Syrische Opposition reagiert verhalten

Die syrische Opposition signalisierte zum Vorstoß verhaltene Zustimmung, ebenso wie der Iran und die Türkei, die seit vier Wochen erstmals mit eigenen Truppen auf syrischem Boden operiert. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mahnte erneut einen „politischen Übergang“ in Syrien an. Doch weder die Zukunft von Syriens Diktator Bashar al-Assad noch eine Amnestie für Zehntausende politische Gefangene des syrischen Regimes spielten bei dem Genfer Treffen eine Rolle.

Um die Feuerpause durchzusetzen, muss Moskau das syrische Regime, aber auch dessen Verbündete, die Hisbollah und die irakisch-iranischen Milizen, zwingen, die von ihnen gerade erst eroberten Versorgungswege in das umzingelte Aleppo für humanitäre Lieferungen freizugeben. Im Norden der Stadt soll der sogenannte Castello-Korridor zur entmilitarisierten Zone werden. Im Südwesten von Damaskus müssen die Regimetruppen das kürzlich zurückeroberte Ramouseh-Viertel räumen, damit dort eine gemeinsame Versorgungstrasse für den Rebellen-Osten und den Regime-Westen etabliert werden kann.

Außerdem soll die syrische Luftwaffe weitgehend auf dem Boden bleiben, darf aber über den Rebellengebieten nicht mehr operieren. Umgekehrt verpflichten sich die USA, die moderaten Aufständischen von den Jihadisten der al-Nusra-Front zu entflechten. Sollte die zunächst angepeilte Sieben-Tage-Feuerpause halten, wollen die beiden Genfer Partner eine gemeinsame Gefechtszentrale für Luftangriffe gegen den Islamischen Staat und al-Nusra aufbauen.

In einer ersten Erklärung gab sich Russlands Außenminister Lawrow am Wochenende zuversichtlich. Er habe Damaskus bereits über alle Vereinbarungen informiert, und die syrische Regierung sei bereit, diese zu erfüllen, erklärte er. Trotzdem könne er nicht hundertprozentig garantieren, dass sich alle Seiten an die Feuerpause hielten. Denn die Russen wissen, die meisten Bodentruppen rund um Aleppo stehen unter der Regie des Iran, der sich von Russland in die syrische Dynamik nicht wirklich einbinden lässt.

Bündnisse mit radikalen Islamisten

Die Regierung der Vereinigten Staaten steht indes vor einem anderen Dilemma. Die mit ihr verbündeten moderateren Rebellen haben praktisch an allen Kampflinien Bündnisse mit der radikal-islamischen al-Nusra-Front, die sich kürzlich in Jabhat Fateh al-Sham umbenannte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass genügend bewaffnete Aufständische bereit sind, sich von den Fronten zurückzuziehen, an denen al-Nusra beteiligt ist“, erklärte Charles Lister, Extremismusexperte am Middle East Institute in Washington. Der Experte hatte in den letzten Wochen mit zahlreichen Kommandeuren vor Ort kommuniziert.

Eine solche Entkoppelung käme aus Sicht der Rebellen einer kampflosen Preisgabe von Gebieten an das Regime gleich, das daraufhin den Waffenstillstand brechen und diesen Vorteil ausnützen könnte.

Ungeachtet dessen schlug Washington am Wochenende gegenüber den moderaten Rebellengruppen jedoch einen rauen Ton an. In einem Brief beschwor der US-Gesandte für Syrien, Michael Ratney, die Assad-Gegner, die Genfer Vereinbarung zu respektieren und mit der al-Nusra-Front zu brechen. Anderenfalls, so drohte der Diplomat, werde es „harte Konsequenzen“ geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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