"We agreed to disagree": Hofer auf Mitteleuropa-Mission

 Zwei Männer mit Stock. Miloš Zeman, Tschechiens Präsident, empfing Norbert Hofer, den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten, in der Prager Burg.
Zwei Männer mit Stock. Miloš Zeman, Tschechiens Präsident, empfing Norbert Hofer, den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten, in der Prager Burg.(c) APA/AFP/RADEK MICA
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Präsidentschaftskandidat Hofer besuchte Tschechiens polterndes Staatsoberhaupt Zeman und verkündete dabei eine Strategie. Er will Österreich in die Višegrad-Gruppe führen.

Prag. Es ist zehn Uhr morgens. Norbert Hofer plaudert in trauter Runde im Café des General Aviation Terminal, des Flughafens für Privatjets. Der FPÖ-Kandidat ist im Bilde. Seit dem Vorabend schon weiß er, dass die Präsidentschaftswahl verschoben wird. Seine Kommunikationslinie liegt fest, Gelassenheit lautet das Motto: „Ich habe keine Freude mit der Verschiebung, aber man muss es nehmen, wie es ist.“ Hofer wird den Satz an diesem Tag noch mehrmals in den verschiedensten Variationen wiederholen.

Als Innenminister Wolfgang Sobotka vor die Mikrofone tritt und den Aufschub offiziell bekannt gibt, kauert Hofer schon im Ledersitz der Cessna Citation, die ihn in nur 45 Minuten nach Prag bringt. Miloš Zeman, Tschechiens streitbarer Präsident, hat ihn in die Prager Burg eingeladen. Mit an Bord der winzigen Maschine ist auch jener Mann, der den Besuch eingefädelt hat: Norbert van Handel. Die Reisegellschaft nennt ihn nur den Baron. Der frühere Geschäftsmann (75) hat seine Kontakte spielen lassen. Sein Netz spannt sich über Europa. Denn er fungiert als Prokurator des St.Georgs-Ordens. Auch Norbert Hofer gehört dieser christlichen Vereinigung im Geiste Habsburgs an – als Ehrenritter. Van Handel, einst rechte Hand des ÖVP-Bautenministers Vinzenz Kotzina (1966–1970), fädelte für seinen Freund Ende August bereits Stippvisiten in Kroatien und Slowenien. Und neulich fühlte er beim tschechischen Präsidenten vor. Zeman zögerte nicht lang, bat umgehend zur Audienz.

Der frühere Sozialdemokrat liebt die Provokation, das offene, auch das derbe Wort. Und in Hofer scheint er einen Gesinnungsgenossen in der Flüchtlingskrise zu sehen. Tschechiens Präsident hatte zuletzt vor einer „organisierten Flüchtlingsinvasion“ gewarnt, die Integration von Muslimen als „praktisch unmöglich“ bezeichnet, die Massendeportion von Wirtschaftsmigranten gefordert und Merkels Willkommenskultur als „unsinnig“ bezeichnet. Das verhalf ihm zu einem Höhenflug in Umfragen. Hofer kommt ihm da gerade recht.

Inszenierung als Staatsbesuch

Zeman inszeniert die Begegnung, lässt eine österreichische und eine tschechische Fahne im Hradschin aufpflanzen. Hinter einer roten Kordel drängen sich mehr als zwei Dutzend Journalisten. Und dann öffnen sich zwei gegenüberliegende weiß lackierte Türen, Zeman und Hofer schreiten über einen roten Teppich aufeinander zu. Beide gehen am Stock. „Ich wegen des Alters, Sie wegen eines Paragliding-Unfalls“, feixt der tschechische Präsident und verschwindet mit seinem Gast in seinem Privatbüro. Norbert van Handel ist auch mit dabei.

„Wunderbar. Ein wunderbares Gespräch in freundschaftlicher Atmosphäre“, werden die beiden Norberts nach dem 50-minütigen Treffen sagen. Zeman gibt keine Pressekonferenz. Die Journalisten stürzen sich im Innenhof der Burg auf Hofer. Geduldig beantwortet er bei gefühlten 40 Grad Celsius Fragen nach der Verschiebung der Präsidentenwahlen – und seiner Unterredung mit Zeman.

Heikle Themen wie das Atomkraftwerk Temelín die Beneš-Dekrete, auf deren Basis nach dem Zweiten Weltkrieg Sudetendeutsche aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden waren, hätten Zeman und er kurz offen angesprochen, aber schnell abgehakt, berichtet Hofer. „We agreed to disagree – wir stimmten überein, nicht übereinzustimmen.“

Sie hätten es vorgezogen, sich Zukunftsfragen zuzuwenden, der Zukunft der EU und der Zukunft der österreichisch-tschechischen Beziehungen. Die beiden haben eine Idee, Zeman hatte sie schon vor dem Treffen mit Hofer öffentlich geäußert und sich für eine Mitgliedschaft Österreichs in der Višegrad-Gruppe ausgesprochen, der außer Tschechien auch Polen, die Slowakei und Ungarn angehören. Hofer nahm den Ball auf. Österreich müsse die Zusammenarbeit mit mitteleuropäischen Staaten vertiefen, möglicherweise auch als Mitglied der Višegrad-Gruppe. Österreich müsse Verbündete in der EU suchen. Ungarn könne derzeit schnell überzeugt werden, die Višegrad-Tür zu öffnen. Und auch Polen könne man überzeugen, meinte Hofer. Ob das wirklich so einfach wäre? Auf Regierungsebene hat die Višegrad-Gruppe zuletzt keine Anstalten gemacht, sich zu erweitern.

Einladung von Nikolić

„China, als Nächstes fliegen wir nach China“, sagt Norbert van Handel auf dem Rückflug nach Wien. Das gehe sich jetzt doch aus angesichts der Wahlverschiebung. Davor freilich könnte Hofer noch nach Serbien reisen. Der dortige Präsident, Tomislav Nikolić, ein Nationalist, hat ihn eingeladen. Die Besuchsdiplomatie hat Methode. Hofer will signalisieren, im Ausland trotz aller Kritik wohlgelitten zu sein. Und im Moment finden sich in Mitteleuropa etliche Spitzenpolitiker, die ähnlich ticken wie er. Ungarns Premier Viktor Orbán traf Hofer übrigens auch unlängst, während seines Sommerurlaubs in Ungarn. Man verstand sich gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2016)

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