Ban: UN-Staaten haben in Syrien "Blut an ihren Händen"

Ein ausgebrannter LKW mit Hilfslieferungen.
Ein ausgebrannter LKW mit Hilfslieferungen.APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Für den UN-Generalsekretär sind die Angreifer des Hilfskonvois "Feiglinge". Bei dem Angriff starben 20 Menschen. UNO und Rotes Kreuz stoppen Hilfslieferungen.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat mehrere Mitgliedstaaten für die Finanzierung des blutigen Bürgerkriegs in Syrien mit mehr als 300.000 Toten scharf kritisiert. "Mächtige Gönner, die die Kriegsmaschine weiter füttern, haben auch Blut an ihren Händen", sagte der Ende des Jahres aus dem Amt scheidende Ban zum Auftakt der Generaldebatte in New York am Dienstag.

Im Plenarsaal seien Vertreter von Regierungen anwesend, die Gräueltaten gegen das syrische Volk ignoriert, möglich gemacht, finanziert, sich daran beteiligt oder diese sogar selbst geplant und ausgeführt hätten. In dem mehr als fünfjährigen Konflikt gebe es keine militärische Lösung, sagte Ban.

Den Angriff auf Lastwagen eines Hilfskonvois in Syrien, nach dem die UN und das Rote Kreuz in dem Bürgerkriegsland alle Hilfsgütertransporte stoppte, bezeichnete Ban als "widerlich". "Die Helfer, die dort lebensrettende Güter lieferten, waren Helden. Diejenigen, die sie bombardierten, waren Feiglinge."

Moskau: Brand nicht Luftangriff

Am Montag war ein Hilfskonvoi westlich von Aleppo aus der Luft angegriffen worden. Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden dabei zwanzig Menschen getötet, 18 der 31 Lastwagen des Konvois seien zerstört worden. "Rund 20 Zivilisten und ein Mitarbeiter des Roten Halbmonds wurden getötet, als sie humanitäre Hilfsgüter von den Lastwagen luden", erklärte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften am Dienstag in Genf.

Es sei unklar, ob russische oder syrische Kampfflugzeuge für den Angriff verantwortlich seien, sagte ein US-Regierungsvertreter. Auch die UNO machte zunächst keine Angaben zu den Urhebern des Angriffs. Moskau bestritt am Dienstag eine Beteiligung der russischen oder syrischen Armee. "Weder die russische noch die syrische Armee hat einen Luftangriff auf den UN-Konvoi bei Aleppo geflogen", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow am Dienstag. Nur Extremisten, die das Gebiet kontrollierten, hätten über sämtliche Informationen über den Standort des Konvois verfügt.

"Wir haben Videoaufzeichnungen geprüft und keine Anzeichen festgestellt, dass die Wagenkolonne von Munition - welcher Art auch immer - getroffen wurde. Zu sehen sind keine Bombentrichter, die Wagen weisen keine Schäden durch eine Druckwelle auf. Alles, was wir im Video gesehen haben, ist eine direkte Folge eines Brandes", sagte Konaschenkow. Augenzeugen hingegen berichteten dem britischen Sender BBC, vor dem Angriff russische Aufklärungsflugzeuge gesehen zu haben, die den Konvoi gefilmt hatten.

USA stellen Zusammenarbeit mit Russland in Frage

Die US-Regierung hingegen kritisierte die Zusammenarbeit mit Russland scharf: Das Ziel des Konvois aus Lastwagen der Vereinten Nationen und des Roten Halbmonds sei sowohl der syrischen wie der russischen Regierung bekannt gewesen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, am Montag. "Und dennoch wurden die Helfer getötet, während sie versuchten, den Menschen in Syrien beizustehen."

Die US-Regierung werde die Bombardierung direkt mit Moskau thematisieren, kündigte Kirby an. "Angesichts der ungeheuerlichen Verletzung der Waffenruhe werden wir die weiteren Aussichten einer Zusammenarbeit mit Russland neu bewerten", fügte er hinzu.

Schon zuvor hatten sich ranghohe Vertreter der Regierung von Präsident Barack Obama skeptisch über die Chancen geäußert, die mit Russland ausgehandelte Waffenruhe für Syrien nach dem Bombardement noch retten zu können. Die Ereignisse vom Montag hätten erhebliche Zweifel aufgeworfen, ob Russland seinen Teil der Vereinbarung zur Befriedung des Landes einhalten könne, sagte ein Vertreter der US-Regierung vor Journalisten. Russland müsse rasch Klarheit darüber schaffen, ob es sich den getroffenen Vereinbarungen noch verpflichtet fühle, sagte ein anderer ranghoher Vertreter der Regierung.

Damaskus zweifelt Waffenruhe an

Die Regierung in Damaskus hatte die Waffenruhe am Montag für beendet erklärt und dies mit der Verletzung der Vereinbarungen durch den US-Angriff auf syrische Soldaten begründet. Schon vor der Erklärung der syrischen Armee sagte der russische General Sergej Rudskoj, die "einseitige Einhaltung" der Waffenruhe durch die syrischen Regierungstruppen mache "keinen Sinn" mehr.

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, zeigte sich schockiert von dem Angriff: "Unsere Wut über diesen Angriff ist enorm. Der Konvoi war das Ergebnis eines langen Verhandlungsprozesses mit dem Ziel, eingeschlossenen Menschen zu helfen", erklärte eine Sprecherin de Misturas. Sollte sich der Angriff vorsätzlich gegen die Helfer gerichtet haben, "dann läuft dies auf ein Kriegsverbrechen hinaus", sagte der Chef der UN-Hilfseinsätze, Stephen O'Brien.

Angriffe auf Region Aleppo

Auch am Dienstag gingen massiven Kämpfe um die geteilte syrische Großstadt Aleppo weiter. Regierungstruppen schlugen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA mit Unterstützung der russischen Luftwaffe einen Angriff von Rebellen am nördlichen Stadtrand zurück. 40 Aufständische seien getötet worden, hieß es in der Meldung unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Die Jets hätten ein Gebiet nördlich der Großstadt Aleppo bombardiert, teilte die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" mit. Südlich der Stadt kam es zwischen Anhängern der Regierung und Regimegegnern zu Kämpfen um eine Versorgungsroute. Syrische und russische Jets hätten das Gebiet bombardiert.

Vor dem für Dienstag geplanten Treffen der internationalen Syrien-Unterstützergruppe in New York warf die syrische Opposition der Weltgemeinschaft Versagen vor. "Die Welt begnügt sich damit, zuzusehen ohne einzuschreiten", sagte der Koordinator des oppositionellen Hohen Verhandlungskomitees (HNC), Riad Hijab, in New York. Nach der Aufkündigung der Waffenruhe durch die syrische Armee gehe das Blutvergießen unvermindert weiter, klagte Hijab. "Russland und der Iran vergießen syrisches Blut, das Regime bombardiert Krankenhäuser, es wirft tausende Fassbomben und andere geächtete Bomben ab - und die Welt schaut zu." Die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats seien alle "vergeblich" gewesen. Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow wollten sich am Dienstag in New York mit anderen Mitgliedern der Unterstützergruppe für Syrien (ISSG) treffen.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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