Die Schweiz stimmt über den "Schnüffelstaat" ab

Grüne und NGO stemmen sich gegen das Gesetz.
Grüne und NGO stemmen sich gegen das Gesetz.REUTERS
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Am Sonntag bestimmen die Schweizer über ein neues Nachrichtendienstgesetz. Umstritten ist besonders die Überwachung der Internetkommunikation.

Linke und Grüne, Bürger- und Menschenrechtsgruppen stoßen sich am neuen Nachrichtendienstgesetz, über das die Eidgenossen am kommenden Sonntag abstimmen. Sie fürchten eine "verdachtsunabhängige Massenüberwachung", berichtet die Schweizer Presse.

Umstritten an der Gesetzesvorlage ist besonders die sogenannte "Kabelaufklärung". Mit ihr würde der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) neben der Satellitenkommunikation erstmals die Internetkommunikation in ihrer Gesamtheit überwachen können. Damit soll der grenzüberschreitende Internetverkehr auf Stichworte hin untersucht werden können, um Cyberspionage fremder Staaten oder Hackerangriffe zu entdecken.

Rechtsanwalt Daniel Steiger bemängelt: "Bei der 'Kabelaufklärung' geht es nicht primär um Personen, es geht um Suchbegriffe." Schlicht jeder könne also überwacht werden, argumentiert er.

Die Regierung (Bundesrat) wendet ein, dass der Nachrichtendienst bei der "Kabelaufklärung" immer zuerst eine Bewilligung einholen müsse. Je nach Quelle solle diese Methode nur in zehn bis 25 Fällen pro Jahr eingesetzt werden. Für den Westschweizer Terrorismus-Experten Jean-Paul Rouiller ist ohnehin klar: "Den Luxus, die ganze Schweiz zu überwachen, kann man sich gar nicht leisten." Dem Nachrichtendienst fehlten ganz einfach die Ressourcen.

Im Schatten der Fichenaffäre

Rouiller findet, dass der NDB auch mit der Zeit gehen müsse. Nach Stichworten kann er heute nur mit Funkaufklärung, drahtloser Kommunikation via Satellit, suchen. Im Internet-Zeitalter sehe Bern alt aus. "Staaten wie Frankreich, Belgien oder Deutschland haben die Option - die Schweiz noch nicht." Das neue Gesetz soll auch die Überwachung von Postverkehr, den Einsatz von Überwachungstechnologie an nicht öffentlichen Orten und das Eindringen in Computer ermöglichen.

Die Initiative gegen die Vorlage ergriff das "Bündnis gegen den Schnüffelstaat", das sich aus linken Kreisen zusammensetzt. Das Komitee erinnert nicht zuletzt mit seinem Namen an den "Jahrhundertskandal", der "Fichenaffäre", der Ende 1989 aufflog: Jahrzehntelang hatten die Behörden Hunderttausende Eidgenossen bespitzelt - aus Furcht vor Unterwanderung und Subversion, wie die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) schreibt.

Der Skandal ist der Grund, warum in der Schweiz derzeit nicht einmal das Abhören von Telefonaten zur Prävention von Terroranschlägen erlaubt ist. Das Bekanntwerden der massiven Bespitzelung europäischer Geheimdienste durch den US-Nachrichtendienst NSA und die Terrorbedrohung bewegte die Eidgenossen allerdings zu einem Umdenken.

Auch die Bevölkerung ist mehrheitlich für das neue Gesetz: In der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern liegen die Befürworter mit 53 Prozent knapp vorne. Im Vergleich zu einer Trendumfrage Mitte August verloren sie fünf Prozentpunkte. gfs.bern rechnet dennoch mit der Annahme des Nachrichtendienstgesetzes

>>> Artikel in der "Neuen Zürcher Zeitung".

(APA/red.)

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