Rettungsaktion für das Abkommen mit Kanada

KANADISCHE HANDELSMINISTERIN IN WIEN: MITTERLEHNER / FREELAND
KANADISCHE HANDELSMINISTERIN IN WIEN: MITTERLEHNER / FREELAND(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die EU-Handelsminister beraten über eine rechtsverbindliche Klarstellung, die Bedenken gegen Ceta in Österreich ausräumen soll. Die Substanz des Abkommens dürfte davon aber nicht berührt werden.

Wien/Brüssel. Es ist ein Schlüsseltag für Ceta, aber auch für den jüngsten Widerstand aus Österreich. Die EU-Handelsminister beraten heute, Freitag, über eine Rettungsaktion für das Handelsabkommen mit Kanada. Um die Bedenken in Österreich und in weiteren Ländern auszuräumen, soll dem fertig aufverhandelten Vertrag eine rechtsverbindliche Klarstellung angefügt werden. Sowohl über dessen Inhalt als auch über die Frage, welche Teile des Vertrags vorläufig Anwendung finden dürfen, muss bei dem Treffen in Bratislava eine Einigung gefunden werden, sonst hält der Fahrplan für die endgültige Unterzeichnung am 27. Oktober nicht.

In einem Brief an Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner versicherte die zuständige EU-Kommissarin, Cecilia Malmström, dass die kanadische Regierung gemeinsam mit der EU-Kommission bereits an Formulierungen arbeitet, um die Ängste in Österreich zu zerstreuen. Die Kommission werde dabei all jene Punkte präzisieren, „die besondere Besorgnis in der öffentlichen Debatte erregt haben“. Für Malmström steht die Umsetzung von Ceta aber außer Frage. Andernfalls wäre die „Glaubwürdigkeit der EU“ betroffen.

Worum geht es konkret? Erstens soll die nun erarbeitete Klarstellung festschreiben, dass dieses Abkommen zu keinem Privatisierungsdruck bei öffentlichen Dienstleistungen (Wasserversorgung, Gesundheitssystem etc.) führen darf. Bisher war dieser Punkt nicht eindeutig im Vertragstext enthalten. Ceta ging davon aus, dass alle Dienstleistungen liberalisiert werden können, außer sie sind explizit davon ausgenommen.

Zweitens wird die Klarstellung eine Garantie enthalten, dass die teilnehmenden Staaten in ihrer Rechtssetzung zum Schutz von Umwelt und Sozialstandards nicht eingeschränkt werden dürfen. Dies würde sowohl die vorgesehene ständige Angleichung der gemeinsamen Marktregeln als auch die Entscheidungen von Schiedsgerichten betreffen.

Drittens soll die Unabhängigkeit der von beiden Seiten bestellten Richter für das gemeinsame Schiedsgericht garantiert werden.

Der Text des Abkommens selbst, so stellte die kanadische Handelsministerin, Chrystia Freeland, diese Woche bei einem Besuch in Wien klar, dürfe allerdings nicht mehr geändert oder um Teile reduziert werden. Damit sind auch die umstrittenen Schiedsgerichte, die Unternehmen Klagerechte gegen Staaten einräumen, aus kanadischer Sicht nicht mehr verhandelbar. Wirtschaftsminister Mitterlehner will in Bratislava allerdings erreichen, dass dieser vorgesehene Schutz von Investoren nicht so wie andere Teile des Vertrags bereits vorläufig in Kraft treten darf. Der ÖVP-Vizekanzler hofft, dass durch all diese vorbereitenden Maßnahmen die Vorbehalte in der SPÖ so weit reduziert werden können, dass der Koalitionspartner am 11. Oktober im Ministerrat grünes Licht für die Unterzeichnung des Vertrags gibt. Im kommenden Jahr muss der Vertrag dann sowieso noch vom Europäischen Parlament und allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Erst dann kann er zur Gänze in Kraft treten.

Noch weitere drei Skeptiker

Skeptisch beäugt wird Ceta nicht nur in Österreich. Im Ratifizierungsprozess gilt die Zustimmung in drei weiteren Mitgliedstaaten als fraglich: in Rumänien, Bulgarien und Belgien. Der Widerstand der Südosteuropäer hat weniger mit der Materie des Handelsabkommens zu tun als mit der Behandlung ihrer Bürger jenseits des Atlantiks. Denn im Gegensatz zu allen anderen EU-Bürgern benötigen Rumänen und Bulgaren für die Einreise nach Kanada immer noch ein Visum.

In Belgien wiederum haben zwei der insgesamt vier regionalen Parlamente (in der französischsprachigen Wallonie und der Hauptstadtregion Brüssel), deren Zustimmung für die Ratifizierung benötigt wird, ihren Widerstand angekündigt. Grund: Die Abgeordneten sehen Ceta als Vorstufe zum umstrittenen Handelspakt TTIP mit den USA an – eine Sicht, die im flämischsprachigen Flandern nicht geteilt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2016)

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