Der vergessene Krieg im Norden des Jemen

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Rebellen(c) EPA (AL-HUTHI GROUP HANDOUT)
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Bei einem Angriff der jemenitischen Luftwaffe auf ein improvisiertes Flüchtlingslager sollen laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) 87 Menschen ums Leben gekommen sein.

Kairo/Sanaa. Es ist ein vergessener Krieg in einem vergessenen Land, das langsam vor die Hunde geht. Nur selten erreicht der Konflikt im Jemen zwischen der Zentralregierung in Sanaa und den schiitischen Huthi-Aufständischen im entlegenen Norden des Landes internationalen Nachrichtenwert. Dann, wenn das Rote Kreuz von 30.000 registrierten internen Flüchtlingen spricht, oder wenn ein besonders brutaler Luftangriff in die Schlagzeilen gerät.

Am Donnerstag war es wieder so weit. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sprach von 87 Todesopfern, darunter Frauen und Kinder. Sie sollen bei einem Angriff der jemenitischen Luftwaffe auf ein improvisiertes Flüchtlingslager ums Leben gekommen sein. Der Vorfall ereignete sich im Adi-Tal in der nördlichen, an Saudiarabien grenzenden Provinz Sadaa, die als Aufmarschgebiet der Rebellen gilt. Lokale Mitarbeiter von Hilfsorganisationen erzählen von gleich zwei Angriffen am Mittwochmittag, von „Körperteilen, die durch die Luft geflogen sind“ und von einem „See aus Blut“.

Nur Verteidigungsschlag gegen Rebellen?

Die jemenitischen Behörden bestätigten den Angriff, behaupten aber, ein Kampfjet habe Rebellen attackiert, die aus einer Zivilistengruppe heraus geschossen hätten. Keine der Versionen konnte von unabhängiger Seite bestätigt werden. Journalisten werden aus dem Kampfgebiet ferngehalten. Der Krieg findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, sodass weder Opfer noch Flüchtlinge gezählt oder versorgt werden können.

Nur in der Hauptstadt Sanaa sind sie fast täglich zu hören, die Kampfjets auf dem Weg zu ihrem Einsatz im Norden. Der seit fünf Jahren schwelende Konflikt war Mitte August eskaliert, als die Huthi-Rebellen einen strategisch wichtigen Militärposten auf der Schnellstraße zur saudischen Grenze überrannt hatten. Die Regierung startete daraufhin eine Offensive mit Artillerieeinsatz und erstmals auch nächtlichen Luftangriffen. Die Kämpfe näherten sich zwischenzeitlich der Hauptstadt bis auf 120 Kilometer. Der Versuch eines Waffenstillstandes war zuletzt Anfang September gescheitert.

Die Rebellen rekrutieren sich aus Stämmen, die der schiitischen Saiditen-Sekte angehören und gegen die Zentralregierung rebellieren, weil ihre Region vernachlässigt würde. Ihr Name stammt von ihrem früheren Anführer Hussein Al-Huthi, der vergangenes Jahr bei Zusammenstößen mit der Armee getötet wurde.

Weiters klagen die Rebellen die Regierung an, zunehmend unter dem Einfluss von radikalen Sunniten zu stehen, die die Schiiten, die ein Fünftel der Bevölkerung darstellen, als Häretiker ansehen. Die Regierung ihrerseits wirft den Rebellen vor, vom Iran unterstützt zu sein, der einen Fuß auf die südarabische Halbinsel bekommen wolle. Beweise für diese Anschuldigung hat sie bisher allerdings keine geliefert.

Separatisten im Süden und al-Qaida-Zellen

Der Huthi-Konflikt ist nur einer der Gründe, warum der Jemen immer mehr zum regionalen Sorgenkind wird. Auch im einstigen sozialistischen Süden meldet sich eine Separatistenbewegung zu Wort. Und in vielen der Stammesgebiete, die mehr oder weniger sich selbst überlassen sind, haben Zellen des al-Qaida-Netzwerkes eine sichere Zuflucht gefunden. Sie machen mit Anschlägen im Jemen oder im benachbarten Saudiarabien immer wieder von sich reden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2009)

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