Erneut massive Luftangriffe auf Aleppo

People inspect a damaged site after airstrikes on the rebel held Tariq al-Bab neighbourhood of Aleppo
People inspect a damaged site after airstrikes on the rebel held Tariq al-Bab neighbourhood of AleppoREUTERS
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Fast zwei Millionen Menschen im syrischen Aleppo sind ohne fließendes Wasser. Bei Gesprächen über eine neue Waffenruhe in New York gab es keine Fortschritte.

Schwere Luftangriffe auf Aleppo und ein ergebnisloser Dialog zwischen USA und Russland haben die Chancen auf eine Waffenruhe in Syrien erneut verringert. Das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) erklärte am späten Freitagabend, in Aleppo seien fast zwei Millionen Menschen ohne fließendes Wasser. Es sei entscheidend für das Überleben der Kinder, dass alle Konfliktparteien ihre Angriffe auf die Wasserversorgung einstellten.

Bei den Angriffen in der Provinz Aleppo wurden nach Angaben ziviler Helfer, der Weißhelme, mindestens 100 Menschen getötet. Der schwere Beschuss der Rebellengebiete dauerte den zweiten Tag in Folge an. Ein Aktivist in Aleppo beschrieb die Situation als verheerend. Die ganze Stadt bebe als Folge der Einschläge. Die Armee des syrischen Regimes habe Brandbomben und die international geächtete Streumunition eingesetzt. Am Samstag wurden die Angriffe fortgesetzt: Die Bombardements seien heftig, teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Alle Wege versperrt

Anrainer und ein Sprecher der Weißhelme sagten am Freitag der Deutschen Presse-Agentur (dpa), alle Wege aus dem belagerten Ostteil der Stadt seien versperrt. Die Menschen könnten nicht fliehen, sie müssten in ihren Wohnungen ausharren. In den Rebellengebieten Aleppos sollen sich noch mehr als 250.000 Menschen aufhalten.

Mit mehr als 70 Bombardements bereiteten die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad am Freitag eine Bodenoffensive auf Rebellengebiete im Ostteil der Stadt vor, berichtete die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Organisation sprach von dutzenden schweren Luftangriffen in der Nacht auf Freitag sowie am Morgen danach. Mindestens 45 Zivilisten seien getötet worden, darunter sechs Kinder und fünf Frauen, erklärte die oppositionsnahe Stelle, deren Angaben für Medien meist kaum zu überprüfen sind. Demnach wurden zahlreiche weitere Opfer unter den Trümmern vermutet.

Bei den massiven Luftangriffen wurden auch zwei Zentren der syrischen Weißhelme beschädigt, ein Krankenwagen und ein Feuerwehrauto wurden zerstört. Die Organisation kümmert sich um Kriegsopfer und wurde dafür erst am Donnerstag mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Die syrische Armee hatte am Donnerstagabend eine Offensive zur Rückeroberung von Ost-Aleppo angekündigt. Bewohner sollten sich "von den Positionen der terroristischen Gruppen" fernhalten, hieß es im Hinblick auf die Rebellen. Zivilisten, die in den von der Regierung gehaltenen Westteil der Stadt übersiedeln wollten, würden nicht festgenommen. Aleppo ist seit dem Sommer 2012 geteilt und seit Monaten heftig umkämpft.

Auch im Westen der Provinz Aleppo gab es laut der Beobachtungsstelle 15 Tote bei einem russischen Luftangriff auf das von Rebellen kontrollierte Dorf Beshkatine, darunter elf Kinder. Zudem seien elf Menschen in Al-Bab getötet worden, das von der Jihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) gehalten wird. Wer die Luftangriffe dort flog, war demnach unklar.

Erfolglose Gespräche in New York

Ein kurzes Gespräch zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in New York blieb ohne konkrete Ergebnisse oder Vorschläge. Der von Kerry gemachte Vorschlag eines vorübergehenden Flugstopps schien am Freitag vorerst vom Tisch.

Es habe eine "konstruktive Diskussion" gegeben, sagte zwar ein ranghoher US-Regierungsbeamter der dpa nach dem Gespräch am Rande eines Treffens des Nahost-Quartetts. "Es war aber kein formelles Treffen, und wir haben keine Vorschläge herausgelesen." Lawrow sagte in seiner Rede bei der UNO-Generaldebatte: "Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Lektionen lernen und ein Abrutschen zur Katastrophe in Syrien verhindern." Die USA forderte er auf, die Terrorgruppe Fatah-al-Sham-Front (früher: Al-Nusra) von gemäßigten Rebellen zu trennen, andernfalls sei eine Waffenruhe sinnlos.

Die syrische Regierung erklärte unterdessen nach Darstellung des russischen Außenministeriums, sie sei zur Einhaltung einer Waffenruhe in dem Land bereit. Der syrische Außenminister Walid al-Muallem habe dies Lawrow in New York am Freitag am Rande der UNO-Generaldebatte erklärt, zitierte die russische Nachrichtenagentur Tass das Außenministerium in Moskau. Demnach akzeptiere die Führung in Damaskus die russisch-US-amerikanische Übereinkunft über die Waffenruhe und sei bereit, diese zu beachten. Die von den USA und Russland zuletzt ausgehandelte Feuerpause hatte mehrere Tage mehr oder weniger gehalten, war Anfang der Woche aber endgültig gescheitert.

Steinmeier-Appell an Russland

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an Russland, seinen Einfluss auf Assad geltend zu machen. "Assads Luftwaffe muss ihre Angriffe stoppen. Dafür sehe ich auch Moskau in der Verantwortung", sagte Steinmeier in einer Rede vor der UNO-Vollversammlung. "Gelingt uns das nicht, werden alle Bemühungen um eine politische Lösung im Bombenhagel untergehen."

Zuvor waren neue internationale Bemühungen ohne Erfolg geblieben, die zwischen den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe wieder in Kraft zu setzen. "Heute könnte die Lage nicht ernster sein!", sagte Steinmeier. Während die Welt um eine Feuerpause ringe, bombe Assad Aleppo weiter zu Trümmern. "Das zeigt einmal mehr: Das Assad-Regime kann und darf die Zukunft Syriens nicht bestimmen." Russland gilt zusammen mit dem Iran als wichtigste Schutzmacht Assads.

Lawrow warf den USA vor, radikale Kräfte nicht von den gemäßigten syrischen Rebellen trennen zu wollen. Zudem forderte er erneut eine "unparteiische und unvoreingenommene" Untersuchung des Angriffs auf einen UNO-Hilfskonvoi mit mindestens 21 Toten. Auch ein US-Luftangriff einige Tage zuvor, bei dem Dutzende syrische Soldaten getötet worden waren, müsse auf diese Art und Weise untersucht werden.

(APA/dpa/AFP)

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