Israel: Schimon Peres, letzter der Gründerväter

Archivbild: Schimon Peres im Jahr 2014.
Archivbild: Schimon Peres im Jahr 2014.(c) AFP (MENAHEM KAHANA)
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Der frühere israelische Präsident starb im Alter von 93 Jahren. Peres hatte einen Schlaganfall erlitten. Seinen Traum vom Frieden mit den Palästinensern konnte er sich nicht erfüllen. Ein Nachruf.

Tel Aviv. Der ehemalige israelische Präsident Schimon Peres ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Das bestätigte sein persönlicher Arzt und Schwiegersohn Rafi Walden am Mittwochmorgen der Nachrichtenagentur AFP. An seinem Sterbebett versammelte sich seine Familie, um sich von ihm zu verabschieden. Peres hatte vor zwei Wochen einen schweren Schlaganfall mit Hirnblutung erlitten und war ins ins künstliche Koma versetzt worden.

Ganz Israel stellte sich am Dienstagabend auf den Abschied von dem letzten der Gründerväter ein: Peres war einer von denen, die aus der Diaspora kamen und ihr Leben lang Hebräisch mit Akzent sprachen. Er gehörte zu den Zionisten, die den Traum vom eigenen Staat für die Juden von der ersten Stunde an mitgestaltete. Er war Regierungschef, Staatspräsident und Nobelpreisträger. Seinen Traum vom Frieden mit den Palästinensern konnte er sich nicht erfüllen. „Es gibt noch immer eine Welt zu heilen“, sagte Peres in seiner Abschiedsrede vor zwei Jahren als Staatspräsident.

Am 21. August 1923 erblickte er als Sohn der Eheleute Persky im weißrussischen Wischnewa, einem jüdisches Shtetl mit nur 1500 Einwohnern, das Licht der Welt. Das Kind war gottesfürchtig und stritt heftig mit seinen Eltern, als sie ausgerechnet an einem Sabbat ihren eben erstandenen „Radioapparat“ anschalteten. Mit dem Zug bis nach Istanbul und weiter auf einem polnischen Dampfer erreichte Peres als Elfjähriger Tel Aviv, besuchte dort das Gymnasium und ging auf ein landwirtschaftliches Internat in Ben Schemen. In Ben Schemen lernte Peres, unter anderem mit einer Pistole umzugehen, vor allem aber Verantwortung zu übernehmen, für das Kollektiv zu denken, er las das Kapital von Karl Marx und traf seine spätere Frau Sonia, mit der er eine Tochter und zwei Söhne haben sollte. Der fromme Shtetl-Jude entpuppte sich zu einem zionistischen Sozialdemokraten.

Aus Persky wurde Peres

David Ben-Gurion, Israels erster Regierungschef, wurde auf den jungen Parteigenossen von der Mapai (Vorläufer der Arbeitspartei) aufmerksam, der inzwischen aus dem polnischen Persky ein hebräisches Peres gemacht hat, und nahm ihn unter seine Fittiche. Die beiden Männer verstanden sich auf Anhieb und ein Leben lang. Mit Golda Meir, die Jahre später Regierungschefin wurde, und auch mit Izchak Rabin war sein Verhältnis schwieriger. Einen „ewigen Intriganten“ schimpfte Rabin einst seinen Parteigenossen, mit dem er jahrzehntelang Machtkämpfe ausfocht.

Eine der ersten Aufgaben des jungen Peres war die Waffenbeschaffung. Er selbst war zwar nie ein großartiger Soldat, aber er verstand sich darauf, Israels Sicherheitspolitik vom Schreibtisch aus voranzutreiben. Paradoxerweise hinterließ der Politiker, dem wie keinem anderen der Ruf anhängt, um Versöhnung mit den arabischen Nachbarn zu ringen, seine tiefsten Spuren in der Zeit als Staatssekretär und Minister für Verteidigung.

Wegbereiter für Atomwaffen

Peres gilt als Vater des israelischen Atomwaffenprogramms. „Die Araber sind nicht unsere Feinde, aber die Politik des Mordes ist es“, rechtfertigte er später seine Haltung.

Ob es die militärischen Orden waren, die Peres nicht bieten konnte oder seine Selbstüberschätzung, dass er Kampagnen nicht nötig habe – Tatsache ist, dass er sich bei Wahlen nur ein einziges Mal durchsetzen konnte. Erst 2007 ernannte ihn das Parlament zum Staatspräsidenten. Schon sieben Jahre zuvor hatte Peres für das höchste Amt im Staat kandidiert und den Kürzeren ziehen müssen.

Der ewige Zweite

„Ich bin ein Versager?“, rief Peres im Mai 1997 von der Bühne vor dem Parteitag. „Jaaa!“, antworteten die Genossen im Chor. Peres war der ewige Zweite, auch in den Reihen der eigenen Partei. Als Nummer zwei funktionierte Peres besser, vor allem unter Izchak Rabin, der seinem Außenminister freie Hand ließ bei den geheimen Verhandlungen mit der Palästinensische Befreiungsorganisation PLO.

Im September 1993 reichten PLO-Chef Jassir Arafat und Israels Regierungschef Rabin einander zum ersten Mal die Hand. Sie vereinbarten die Osloer Prinzipienerklärung über das gemeinsame Streben nach zwei Staaten für die zwei Völker. Arafat, Rabin und Peres wurden kurz darauf mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Rabin zahlte mit seinem Leben.

Nur wenige Monate nach dem Mordanschlag blieb die Arbeitspartei unter Peres, der die Nachfolge Rabins antrat, bei den Parlamentswahlen knapp hinter dem Likud unter Benjamin Netanjahu. Peres hat sich die schwindende Popularität im Volk und in der Partei selbst zuzuschreiben. Kaum ein halbes Jahr lag zwischen dem Tod Rabins und Neuwahlen. Zeit genug für ihn, um zwei fatale Fehler zu begehen.

Er gab dem Drängen der Geheimdienste nach, die eine Gelegenheit erkannten, um den damals meistgesuchten Terroristen Jachije Ajasch zu exekutieren. Peres signalisierte Grünes Licht. Eine im Telefonhörer versteckte Sprengstoffladung riss dem berüchteten Ajasch kurz darauf den Kopf von den Schultern.

Blutige Rache der Hamas

Die Hamas rächte sich mit einer Serie von Terrorattentaten. Dutzende Zivilisten, darunter viele Kinder, starben bei Sprengstoffexplosionen in Tel Aviv und Jerusalem. Jede Bombe trieb Israels Wähler weiter nach rechts in die Arme des konservativen Likud-Spitzenkandidaten Benjamin Netanjahu. Die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern lagen auf Eis.

Beinahe noch schlimmer war die Fehlentscheidung über die Operation „Früchte des Zorns“ und die Angriffe auch auf zivile Ziele im Libanon. Bei einem fehlgeleiteten israelischen Luftangriff auf das Dorf Kana im Südlibanon starben über hundert Zivilisten. „Uns treibt weder Blut noch Abenteuer“, kommentierte er damals sichtlich erschüttert. Die Stimmen der arabisch-israelischen Staatsbürger hatte Peres verspielt. Die Araber boykottierten den Urnengang. Manch einer hat es ihm bis heute nicht verziehen.

Großes Ansehen im Ausland

Im Ausland mehr als unter den eigenen Landsleuten genoss Peres, großes Ansehen. Wenn er von der Notwendigkeit sprach, Israel als jüdischen Staat zu definieren, klang es eben anders, als aus dem Munde eines Netanjahus – vor allem in den Ohren seiner bei der Sozialistischen Internationale gewonnenen zahllosen Freunde.

Peres warnte stets davor, die Arabische Initative zu ignorieren. Am Ende müsse Israel Seite an Seite mit dem „arabischen Staat Palästina“ existieren. Das noch zu Lebzeiten gegründete Schimon-Peres-Friedenszentrum in Tel Aviv soll seine Arbeit solange fortsetzen, bis dieses Ziel erreicht ist.

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