Die Zweifel der Genossen an Sigmar Gabriel

German Chancellor Angela Merkel and Economy Minister Sigmar Gabriel attend a cabinet meeting at the Chancellery in Berlin
German Chancellor Angela Merkel and Economy Minister Sigmar Gabriel attend a cabinet meeting at the Chancellery in Berlin(c) REUTERS (AXEL SCHMIDT)
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Sigmar Gabriel würde gern Kanzlerkandidat der SPD werden, aber in Teilen seiner Partei regt sich heftiger Widerstand.

Berlin. Die SPD hat derzeit ähnliche Sorgen wie die ÖVP. Es gibt einen Parteichef, der gern Kanzlerkandidat werden würde. Aber seine Partei ist nicht sicher, ob sie das für eine gute Idee halten soll. Der einzige Unterschied ist: In der ÖVP gibt es mit Außenminister Sebastian Kurz eine logische Alternative zu Reinhold Mitterlehner, in der SPD nicht.

Dabei hat es für Sigmar Gabriel schon recht gut ausgesehen. Nach dem verteidigten ersten Platz in Mecklenburg-Vorpommern, dem Gerade-noch-Erfolg in Berlin und der gewonnenen Ceta-Abstimmung schien es so, als sei ihm die Kanzlerkandidatur nicht mehr zu nehmen. Aber in den vergangenen Tagen sind die Zweifel an ihm wieder gewachsen.

Erst am Donnerstag haben Bundestagsabgeordnete aus Niedersachsen schwere Bedenken angemeldet, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“. Mit Gabriel an der Spitze, so der Tenor einer Sitzung, sei die Wahl nicht zu gewinnen. Dabei beriefen sich die Mandatare auf Rückmeldungen aus der Basis. Besonders schwer wiegt, dass Niedersachsen Gabriels Heimatbundesland ist. Er war dort Anfang der Nullerjahre Ministerpräsident.

Gegen den Parteichef sprechen auch seine anhaltend schlechten Beliebtheitswerte. Und der Umstand, dass die SPD trotz einer schwächelnden Angela Merkel nicht über 25 Prozent kommt. Allerdings hat Gabriel auch Fans – und die wollen Fakten schaffen, bevor es seine Gegner tun. In einem Gastbeitrag für den „Blog der Republik“ verfasste einer der führenden Vertreter der nordrhein-westfälischen SPD diese Woche ein Plädoyer für den Vizekanzler: „Ich halte Sigmar Gabriel ohne Abstriche für geeignet, der nächste Kanzler zu werden“, schrieb Fraktionschef Norbert Römer, einer der engsten Vertrauten von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Für die Anti-Gabriel-Fraktion war das ein Grund zur Panik. Denn der Verband in Nordrhein-Westfalen ist der größte und mächtigste in der SPD.

Wobei hier auch Eigeninteresse mitspielt. Kraft hat im Mai eine Wahl zu schlagen und kann davor keine Kanzlerdebatte gebrauchen. Zuletzt soll sie den Gabriel-Kritikern ins Gewissen geredet haben. Mit mäßigem Erfolg. Nicht wenige glauben, dass EU-Parlamentspräsident Martin Schulz oder Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz der bessere Kandidat wäre. Gabriel könne ja Parteichef bleiben – wie 2013, als sich Peer Steinbrück die Niederlage gegen Merkel abholen durfte.

Ein bisschen Zeit sei noch, heißt es in der SPD. Man müsse sich nicht entscheiden, bevor es die Kanzlerin tut. Angela Merkel nämlich hat offengelassen, ob sie noch einmal kandidiert. Die Entscheidung soll noch vor dem CDU-Parteitag Anfang Dezember fallen. Einige hegen den Verdacht, dass die Kanzlerin amtsmüde ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie im Flüchtlingsstreit mit der CSU (die mit einem eigenen Kanzlerkandidaten droht) taktiert. Aber falls Merkel nicht mehr will, steigen natürlich die Chancen für die SPD. Mit welchem Spitzenkandidaten auch immer.

Machtkampf in der Linkspartei

Auch in der Opposition ist die K-Frage umstritten – in der Linkspartei sogar heftig, seit die Fraktionschefs, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, erklärt haben, dass sie als Duo antreten wollen. Es dürfte nun zum Machtkampf kommen, zumal auch Katja Kipping und Bernd Riexinger, die beiden Parteichefs, Karriereambitionen haben.

Bei den Grünen sind zumindest die Regeln klar: In einer Urwahl nominieren die 59.000 Mitglieder bis Jänner zwei Spitzenkandidaten. Einer davon muss eine Frau sein. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt tritt gegen drei Männer an und dürfte deshalb gesetzt sein. Um den zweiten Platz duellieren sich Parteichef Cem Özdemir, Ko-Fraktionschef Anton Hofreiter und Robert Habeck, Umweltminister in Schleswig-Holstein. Das Votum könnte auch ein Statement sein, da sich die Grünen derzeit nicht zwischen CDU und SPD entscheiden können. Alle außer Hofreiter, einem Vertreter des linken Flügels, wären eher ein Signal für Schwarz-Grün.

Auch von Gabriel geht dieser Tage ein Signal aus, allerdings ein außenpolitisches. Am Sonntag besucht er mit einer Wirtschaftsdelegation den Iran, also den zweiten großen Unterstützer des syrischen Assad-Regimes. Beim ersten, Russland, war er erst vor zehn Tagen. Nicht überall in Deutschland kommen diese Reisen gut an. Auch in Teilen der SPD nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

AUF EINEN BLICK

In der SPD ist diese Woche eine heftige Debatte ausgebrochen. Es geht um die Frage, wer die Partei im Herbst 2017 in die Bundestagswahl führen soll. Der einflussreiche Landesverband in Nordrhein-Westfalen hat sich klar für Parteichef Sigmar Gabriel positioniert. In Niedersachsen dagegen wird bezweifelt, dass die Wahl mit dem Vizekanzler zu gewinnen ist. Die SPD will jetzt abwarten, was Angela Merkel tut. Denn die Kanzlerin hat offengelassen, ob sie nächstes Jahr noch einmal kandidiert. Machtkämpfe um die Spitzenkandidatur gibt es auch in der Linkspartei und bei den Grünen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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