Obama, Hollande & Co. nahmen Abschied von Israels letztem Gründervater. Amos Oz hielt ein flammendes Plädoyer.
Wien/Jerusalem. Solch ein Begräbnis, eine Mischung aus einem Staatsakt und einem Stelldichein von Führern aus aller Welt, bei dem zwei US-Präsidenten ein Loblied auf den letzten Gründervater singen, wird Israel gewiss nicht mehr erleben. Die Sonne hatte den Herzlberg in ein mildes Spätsommerlicht getaucht, und überall auf dem Hügel oberhalb Jerusalems erstrahlte überlebensgroß das Konterfei von Schimon Peres in allen Phasen seines beinahe ein Jahrhundert umspannenden Daseins. Trotzdem, so offenbarte Sohn Yoni mit einer Pointe jüdischen Humors, sollte auf Wunsch seines im Alter von 93 Jahren verstorbenen Vater das Diktum auf dem Grabstein prangen: „Zu früh gegangen“.
Ein Geheimnis wollte der Friedensnobelpreisträger, ein „political animal“ bis zum letzten Atemzug und als solcher nicht frei von Eitelkeit, indes nicht mit ins Grab nehmen. Am Morgen der Beisetzung erschien die „Jerusalem Post“ deshalb mit der Enthüllung, Peres habe als Präsident seinen Premier Benjamin Netanjahu von einem Nuklearschlag gegen den Iran abgehalten. Ein letzter Coup.
In seiner Würdigung des Staatsmanns Peres brachte „Bibi“ Netanjahu die Differenzen mit seinem langjährigen Rivalen auf den Punkt: „Bibi, Frieden ist die beste Sicherheit“, so lautete das Credo von Peres. Netanjahus Replik: „Ohne Sicherheit kann es keinen Frieden geben.“ Die beiden Pole bestimmen die Gegenwart Israels.
Ein Zweifamilienhaus
Den Faden des Nahostkonflikts nahmen, von einem von Tränen geschüttelten Bill Clinton bis zum gewohnt pastoralen Barack Obama, alle Nachredner auf. Sein Lebenswerk sei unvollendet geblieben, sagte Obama über Peres mit kritischem Unterton. Am authentischsten brachte es aber ein Großschriftsteller zum Ausdruck, der Peres aus nächtlichen Gesprächen als Freund kannte. „Wo sind die Erben von Schimon Peres?“, fragte Amos Oz die 4000-köpfige Trauergemeinde in seinem flammenden Plädoyer.
Frieden sei möglich, ja, zwingend notwendig, appellierte Oz. „Wohin sollten wir denn gehen? Wir haben keine andere Wahl, als dieses Haus in zwei Wohnungen zu teilen – in ein Heim mit zwei Familien. Im tiefsten Inneren wissen wir um diese simple Wahrheit.“ Auf arabischer Seite fehlte derweil die Prominenz: Jordaniens König und Ägyptens Präsident ließen sich vertreten. Nur Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas trotzte der internen Kritik, um seinem Partner und Freund die letzte Ehre zu erweisen.
Während die Staatsgäste die Gelegenheit zum politischen Small Talk nutzten, während Nationalratspräsidentin Doris Bures Obama mit verklärtem Blick die Hand schüttelte, während Sebastian Kurz mit Viktor Orbán, Boris Johnson oder Justin Trudeau plauderte, ging am Herzlberg in einer privaten Zeremonie unter traditionellen jüdischen Ritualen und dem Trauergebiet Kaddisch die Bestattung vonstatten. Militärs schaufelten Sandsäcke auf den Sarg, und die Ironie wollte es, dass Peres zwischen zwei Rivalen seine letzte Ruhe fand: zwischen seinem Parteifreund Jitzhak Rabin und Jitzhak Schamir, einem langjährigen politischen Gegner.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)