Kritik an EU-Afghanistan-Abschiebeabkommen

Afghanische Flüchtlinge im pakistanischen Peschawar
Afghanische Flüchtlinge im pakistanischen PeschawarAPA/AFP/A MAJEED
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Hilfsorganisationen werfen der EU vor der Geberkonferenz in Brüssel "glatte Erpressung" vor.

Die Vereinbarung der EU mit Afghanistan über die beschleunigte Abschiebung tausender Flüchtlinge ist auf scharfe Kritik von Hilfsorganisationen gestoßen. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei "desolat" und das Land "alles andere als sicher", erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Dienstag. Er warf der EU "glatte Erpressung der afghanischen Regierung" vor.

Die Vereinbarung unter dem Titel "Gemeinsamer Weg nach vorne bei Migrationsfragen" war am Sonntag geschlossen worden. Sie legt die Vorgehensweise bei freiwilliger Rückkehr und Abschiebungen detailliert fest. So sollen im ersten halben Jahr nicht mehr als 50 Afghanen pro Flug zwangsweise abgeschoben werden. Erwogen wird auch der Bau eines eigenen Terminals am Flughafen von Kabul, um abgeschobene Flüchtlinge aufzunehmen.

Die EU sichert zudem eine besondere Prüfung der Fälle von allein stehenden Frauen, alten und schwerkranken Menschen zu. Unbegleitete Minderjährige dürften demnach nur zurückgebracht werden, wenn ihre Familien in der Heimat identifiziert und ihre Versorgung sichergestellt ist. Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt bezeichnete dies aber als unzureichend. Die vorgesehenen Schutzmaßnahmen für Minderjährige seien "das Papier nicht wert, auf dem sie stehen", erklärte er.

Abschiebung von 80.000 Afghanen?

Auch Amnesty International rief die EU bereits am Montag auf, ihre internationalen Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen nicht zu umgehen. Die Organisation warnte Brüssel gleichzeitig davor, finanzielle Zusagen an Kabul von der Rücknahme abhängig zu machen.

Die jüngsten Angriffe der radikalislamischen Taliban am ehemaligen Standort der Deutschen Bundeswehr in Kunduz zeigten, dass Afghanistan kein sicheres Land sei, erklärte die Grünen-Europaabgeordnete Barbara Lochbihler. "Es ist schlichtweg verantwortungslos, dass die europäischen Mitgliedstaaten nun 80.000 afghanische Asylbewerber abschieben wollen." Auch sie warnte davor, in der Frage die finanzielle Abhängigkeit Kabuls "eiskalt auszunutzen".

"Man kann in diesem Land auch leben"

Dagegen verteidigte der sicherheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Michael Gahler, die Abschiebepläne der EU. "Es ist ja nicht so, dass man in diesem Land überhaupt nicht leben kann", sagte der deutsche CDU-Politiker vor dem Beginn der Afghanistan-Konferenz. In Teilen des Landes bedrohten die Taliban zwar die Menschen, abgeschobenen Flüchtlingen drohten seitens der Regierung jedoch keine unmenschliche Behandlung oder gar die Todesstrafe, sagte Gahler. Deshalb dürften sie nach der Genfer Flüchtlingskonvention zurück nach Afghanistan geschickt werden. Man müsse immer den Einzelfall prüfen.

Hochrangige EU-Vertreter hatten vergangene Woche dementiert, dass es eine Vereinbarung zur Abschiebung oder Rückkehr von 80.000 afghanischen Flüchtlingen geben werde. Die Zahl stammt aus einem bereits im März verfassten Arbeitsdokument der Kommission und bezieht sich auf Flüchtlinge aus dem Jahr 2015, die voraussichtlich kein Asyl bekommen werden. In dem Kommissionspapier wird auch von der Möglichkeit gesprochen, Kabul finanzielle Anreize für die Rücknahme zu bieten.

Bei der am Dienstag und Mittwoch stattfindenden Afghanistan-Konferenz in Brüssel geht es um die finanzielle Unterstützung des Landes bis 2020. Erwartet werden bei dem Treffen mit Vertretern aus 70 Ländern Zusagen in Höhe von rund drei Milliarden Euro. Die EU als Organisation hat bereits zugesagt, ihre finanzielle Unterstützung von 200 Millionen Euro pro Jahr fortzuführen. Hinzu kommen bilaterale Finanzzusagen ihrer Mitgliedstaaten.

(APA/DPA/AFP)

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