Sicherheitsrat: Einigung auf UN-Generalsekretär

Der frühere portugiesische Regierungschef Antonió Guterres soll neuer Generalsekretär der Vereinten Nationen werden.
Der frühere portugiesische Regierungschef Antonió Guterres soll neuer Generalsekretär der Vereinten Nationen werden.imago/Xinhua
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Auf diplomatischer Ebene herrscht wegen Syrien Eiszeit zwischen den USA und Russland. Umso überraschender war die Einigung auf den Portugiesen Antonió Guterres als Nachfolger Ban Ki-moons.

Wien/New York/Moskau. Mit dieser raschen Entscheidung hatte kaum jemand gerechnet. Denn eigentlich war erwartet worden, dass Russland das Prozedere in die Länge zieht. Am Mittwochabend stimmte der UN-Sicherheitsrat dann aber dafür, dass der portugiesische Ex-Premier und frühere UN-Flüchtlingshochkommissar Antonió Guterres neuer UN-Generalsekretär werden soll. Keine der UN-Vetomächte – auch nicht Russland – war dagegen. Noch zwei Tage zuvor waren aus Moskau völlig andere Signale gekommen: Denn der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin hatte darauf beharrt, dass eine Frau aus Osteuropa Generalsekretär Ban Ki-moon nachfolgen müsse. Das berichtet ein westlicher Diplomat der „Presse“. Damit habe Tschurkin alle anderen hinters Licht geführt, so der Diplomat. Denn auch aus sämtlichen Probeabstimmungen zuvor war Guterres als klarer Sieger hervorgegangen.

Unmut über Kandidatin Georgiewa

Für den Portugiesen sprach, dass er von seiner Qualifikation her aus Sicht der beteiligten Länder in einer höheren Liga spielte als seine Mitwerber. Die einzige, die ihm dabei das Wasser hätte reichen können, war die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Kristalina Georgiewa. Sie war vor allem von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel favorisiert worden. Georgiewa sei aber übel genommen worden, dass sie erst sehr spät ins Rennen um die Nachfolge Ban Ki-moons eingestiegen ist, erzählt der westliche Diplomat der „Presse“.

Endgültig gewählt wird der neue UN-Generalsekretär dann in der Vollversammlung, in der alle UN-Mitgliedstaaten vertreten sind. Das gilt gilt aber nur mehr als formaler Akt. Denn entscheidend ist der Vorschlag des UN-Sicherheitsrats.

Dass dort doch recht rasch die Einigung auf Guterres zustande kam, stellt Pragmatismus auf höchster diplomatischer Ebene unter Beweis. Denn vor allem wegen des Syrienkonflikts herrscht zwischen Moskau und Washington Eiszeit. „Die Syrien-Krise ist nicht auf die Wahl des Generalsekretärs übergeschwappt“, so der westliche Diplomat. Ansonsten sei die Stimmung im Sicherheitsrat derzeit nämlich vor allem zwischen den USA und Russland „miserabel“.

Als Russlands Präsident Wladimir Putin bei der konstituierenden Sitzung der Duma am Mittwoch in Moskau das Wort ergriff, tönte er von einer „historischen Mission“ und einem „historischen Recht“ – und die Rede war von einem starken Russland. „Wir müssen die Sicherheit und die Verteidigungskapazitäten unseres Landes stärken, damit es seine Position auf der internationalen Bühne behaupten kann.“

Moskau verlegt Luftabwehrsystem

Die starken Töne fallen zusammen mit der Verschärfung des Krieges in Syrien und der Aufkündigung des Abkommens über den Abbau von Plutonium mit den USA. Für Philip Gordon, einen US-Karrierediplomaten, steht fest: „Das ist die schlechteste Periode zwischen den beiden Ländern seit dem Kalten Krieg.“ Gernot Erler (SPD), der Russland-Beauftragte der deutschen Regierung, schlug in einem ZDF-Interview Alarm. Eine unmittelbare Konfrontation der Supermächte sei nicht auszuschließen. „Es gibt eine ganze Reihe von Signalen, die zeigen, dass man im Augenblick vor keiner Konfrontation zurückschreckt.“ Dazu zählt er auch die Stationierung moderner russischer Luftabwehrsysteme in Syrien. Das sei als klare Warnung an die USA zu verstehen, nicht militärisch zu intervenieren, wie dies zumindest in Washington wieder als Option kursiert.

Auswirkungen auf US-Wahlkampf

Trotz der diplomatischen Spannungen will Jean-Marc Ayrault, der französische Außenminister, die Gesprächsmöglichkeiten bei einem Treffen mit Sergej Lawrow, seinem Amtskollegen, in Moskau ausloten. Möglich, dass er als Mittelsmann zwischen Russland und den USA fungiert. Immerhin sind die Kontakte zwischen Moskau und Washington trotz der schrillen Töne noch nicht ganz abgerissen: Lawrow und John Kerry haben am Mittwoch miteinander telefoniert und dabei auch unter anderem über Syrien geredet.

Der Konflikt spielt längst auch in den US-Wahlkampf hinein, obwohl der Kreml beteuerte, nicht in das Duell Donald Trump versus Hillary Clinton hineingezogen werden zu wollen. Putin solle nicht als Buhmann herhalten. Das Trump-Lager warf der Obama-Regierung Führungsschwäche gegenüber dem Kreml vor: Russland habe den Waffenruhe-Deal gebrochen. (vier, cu, w. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2016)

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