Trump treibt Clinton Wählerinnen zu

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TOPSHOT-US-VOTE-DEBATE(c) APA/AFP/POOL/SAUL LOEB
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Donald Trumps Anhänger lassen sich von seinen Skandalen nicht erschüttern. Doch bei den entscheidenden Wählergruppen – vor allem weißen Frauen – tut er sich mit vulgärem Sextratsch keinen Gefallen.

Washington. Kaum war das zweite Rededuell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump zu Ende, begannen die Lager der beiden Präsidentschaftskandidaten ebenso wie die amerikanischen Medien mit ihren Sofortanalysen. Kellyanne Conway, Trumps Kampagnenleiterin, erklärte freudestrahlend, dass ihr Kandidat die Debatte klar „gewonnen“ habe. Eine Sofortumfrage des Fernsehsenders CNN, der die Debatte in St. Louis veranstaltet hatte, ließ diesen Befund zweifelhaft erscheinen: 57 Prozent der Menschen, welche den eineinhalbstündigen, von tiefer gegenseitiger Feindseligkeit durchzogenen Schlagabtausch gesehen hatten, meinten, dass Clinton die Oberhand behalten habe. Nur 34 Prozent erklärten Trump zum Sieger der Debatte. Knapper war der Abstand in einer Onlineumfrage von YouGov: Clintons Abschneiden verhalf ihr hier zu einem Vorsprung von 47 zu 42 Prozent.

Doch das Abschneiden in Präsidentendebatten sagt nur wenig über Chancen der Kandidaten aus, die einzige Meinungsumfrage zu gewinnen, die wirklich zählt, nämlich jene am Wahltag. Zur Erinnerung: John Kerry schnitt im Jahr 2004 laut Gallup-Umfragen in allen drei Debatten wesentlich besser ab als sein Gegner, der republikanische Präsident George W. Bush. Bush wurde dennoch ziemlich gefahrlos in seinem Amt bestätigt. Der Ölmilliardär Ross Perot wieder hatte im Jahr 1992 ebenfalls laut Gallup in zwei von drei Debatten die Nase vor Bill Clinton und dem Amtsinhaber George H.W. Bush.

Clinton liegt in Umfragen stabil vorn

Was für einen Reim soll man sich also aus diesem Zahlensalat machen? Zumindest diesen: Weder die erklärten Anhänger Clintons noch jene Trumps haben sich von der Debatte beeinflussen lassen. Denn die meisten Wähler haben sich schon vor längerer Zeit für den einen oder die andere entschieden. Zwar gibt es heuer wesentlich mehr Wähler als in früheren Jahren, die in Befragungen erklären, noch unentschlossen zu sein. Mehr als 84 Prozent sind jedoch bereits entweder in Clintons oder Trumps Lager, und ihre Zahl steigt von Tag zu Tag.

Angesichts der Umfragewerte ist das eine sehr gute Nachricht für Clinton. Denn sie liegt sowohl US-weit als auch in allen entscheidenden Schlüsselstaaten ungebrochen vor Trump. Der Durchschnitt US-weiter Umfragen, von RealClearPolitics täglich ermittelt, sah sie am Montag 4,9 Prozentpunkte vor Trump. Er lag nur einmal knapp mit 1,1 Prozentpunkten vor ihr; das war Ende Juli, unmittelbar nach dem republikanischen und vor dem demokratischen Parteitag.

Trump ist Clintons bester Wahlhelfer

Diese Umstände helfen bei der Erklärung, wieso Clinton Trump bei der Debatte am Montagabend weniger gezielt provozierte als bei ihrem ersten Fernsehduell. Man kann natürlich nicht in das innere Sanctum der Clinton-Kampagne blicken, doch es ist klar, dass sie ihre Wähler bis zum Wahltag am 8. November bei der Stange halten muss. Ein Trump, der in einer Debatte nicht völlig untergeht und somit weiterhin als ernsthafter Gegner erscheint, ist das beste Motivationsmittel für demokratische Wähler – und, darüber hinaus, für jene noch unentschiedenen weißen, besser gebildeten Frauen in Amerikas Vorstädten, welche die Wahlen in Schlüsselstaaten wie Pennsylvania, Ohio oder Michigan entscheiden dürften.

Bei ihnen hat Trump mit seinen in Tonaufnahmen festgehaltenen vulgären Prahlereien über sexuelle Übergriffe auf verheiratete Frauen („Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles machen“) wohl kaum dazugewonnen. Laut Umfrage von NBC News erklärten 27 Prozent wahrscheinlicher Wählerinnen, dass schon die erste Debatte ihre Meinung über Trump verschlechtert habe, während 30 Prozent erklärten, sie sähen Clinton nun in einem besseren Licht. Ähnlich dürfte sich das nun nach der zweiten Debatte verhalten: 64 Prozent der weiblichen Zuseher erklärten gegenüber CNN, Clinton sei besser gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2016)

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