Russlands einziger Flugzeugträger auf erster Feindfahrt

Admiral Kusnezow und zwei ihrer Flankers (Archivbild)
Admiral Kusnezow und zwei ihrer Flankers (Archivbild)Reuters
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Nach nicht weniger als einem Vierteljahrhundert im Dienst ist der einzige Träger der Russen, die "Admiral Kusnezow", am Wochenende zu seiner ersten wirklichen Kriegsfahrt ausgelaufen, nämlich nach Syrien.

Nun, nach einem Vierteljahrhundert, ist es also tatsächlich soweit: Der einzige Flugzeugträger der russischen Marine, die "Admiral Kusnezow", ist am Wochenende von Seweromorsk im Eismeer zum ersten Kriegseinsatz seit Indienststellung des Schiffs ausgelaufen. Und das war immerhin Anfang 1991.

Ziel ist wenig überraschend Syrien, wo die Flugzeuge und Hubschrauber des Schiffs die schon dort befindlichen russischen Heeres- und Luftwaffenverbände sowie die Regierungsarmee im Bürgerkrieg erstmals aktiv unterstützen sollen. Bei früheren Einsätzen der Kusnezow im Mittelmeer in den letzten Jahren war das nicht der Fall.

Begleitet wird das 55.000-Tonnen-Schiff, Länge rund 305 Meter, russischen Angaben zufolge von einem Verband um den Kreuzer "Pjotr Weliki" (Peter der Große) und etwa acht weiteren Kriegs- und Versorgungsschiffen. Der Weg von Seweromorsk über Gibraltar ins Mittelmeer dauere etwa zehn Tage, sagte Admiral Wiktor Krawtschenko am Samstag der Agentur Interfax. Seitens der britischen Royal Navy hieß es, man erwarte die Passage der Russen in den nächsten Tagen. Gut so, denn im Dezember 2013 hatten die Briten noch eine mächtige Blamage erlebt, als ein russischer Verband um die Kusnezow plötzlich und offenbar zuvor unbemerkt vor der schottischen Küste auftauchte, siehe hier.

Unklarheit über Air Group

Über die Zusammenstellung der Air Group auf dem Träger herrscht ein wenig Unklarheit. Militärische Fachmedien im Westen wähnen ein Dutzend Mehrzweckkampfflugzeuge Mikojan-Gurewitsch MiG-29K sowie eine ähnliche Zahl von Hubschraubern. Auf dem russischen social-media-Netzwerk "VK.com" erschienen kürzlich Fotos von Kamow Ka-52K "Katran"-Kampfhubschraubern (Katran bedeutet Dornhai) angeblich im Hangar der Kusnezow.

Noch im Juli hatten russische Medien berichtet, sie werde bei ihrer Syrienfahrt 15 MiG-29K bzw. schwerere Luftüberlegenheitsjäger Suchoi Su-33K "Flanker-D" und mindestens zehn Hubschrauber (Kamow Ka-52K, Ka-27, Ka-31) an Bord haben. An sich sollte das Schiff insgesamt 40 Fluggeräte tragen können.

MiG-29K auf dem Flugdeck (Bild datiert auf 12. Oktober)
MiG-29K auf dem Flugdeck (Bild datiert auf 12. Oktober)VK.com
Kamow Ka-52K im Hangar der Kusnezow.
Kamow Ka-52K im Hangar der Kusnezow.VK.com

Die weitgehend in den 1980ern gebaute Kusnezow war eines von zwei Schiffen ihrer Klasse und trug in der Bauphase auch andere Namen, etwa "Tiblisi" (Tiflis) und "Leonid Breschnew". Ihr Schwesterschiff hieß zunächst "Riga", nach dem Kollaps der UdSSR "Warjag". Es rostete in einem ukrainischen Hafen unfertig vor sich hin, wurde Ende der 1990er an eine Firma in Hongkong verkauft, die daraus angeblich ein Hotel machen wollte. 2001 überstellte man die Warjag, der Käufer freilich erwies sich als Tarnfirma des chinesischen Militärs, das den Träger gründlich studierte, restaurierte, ausbaute und schließlich 2012 als ersten Flugzeugträger Chinas unter dem Namen "Liaoning" in Dienst stellte.

Wie nützlich ist sie in einer Offensivrolle?

Über den Nutzwert der Kusnezow sozusagen als "Angriffsträger" wird in der Fachwelt debattiert. Traditionellerweise war die Rolle der sowjetrussischen Marine inklusive ihrer Träger und Marineluftwaffe defensiv ausgelegt. Offensive Rollen, vor allem im Nordatlantik, wären U-Booten und Mittelstreckenbombern zugekommen. Das Gros der Überwasserschiffe sowie Flugzeuge hätte vorrangig zum Schutz der Bomber und U-Boote im Nahbereich der russischen Küsten und generell als vorgeschobene Verteidigungslinie des Festlandes gedient.

Die großen Träger der USA hingegen hatten und haben zusätzlich, ja eigentlich primär, offensive und machtprojizierende Funktion mit Blick auf Luft-Boden-Angriffe und die Unterstützung von Bodenoperationen der Armee und Marineinfanterie in fernen Ländern.

Folglich sind die russischen Marinekampfjets eher als Abfangjäger sowie Träger von Anti-Schiff-Raketen denn für Angriffe über Land gebaut. Und wegen der prinzipiellen Konstruktion der Kusnezow als Träger mit Startrampe (ski-jump) für Flugzeuge statt Katapult ist die Waffenlast der russischen Jets zusätzlich beschränkt und generell geringer als bei westlichen Modellen. Zum Vergleich: Laut Angaben von MiG beträgt die Waffenlast der MiG-29K fünfeinhalb Tonnen. Jene der F/A-18E/F "Super Hornet" von Boeing aber liegt bei etwa acht Tonnen, die französische "Rafale M" von Dassault packt sogar mehr als 9000 Kilogramm.

Zwei Su-33 auf der Kusnezow
Zwei Su-33 auf der Kusnezowrussianplanes.net/Wladimir Petkewich

Insgesamt kommt die Kriegsfahrt der Kusnezow eigentlich überraschend, denn im Frühjahr 2015 war sie nahe Murmansk in eine Werft zu Reparaturen eingelaufen, von denen Marinekreise annahmen, dass es um einen größeren "Refit", also Um- und Ausbau, geht, der unter Umständen Jahre dauert. Bereits 2010, dann 2013 hatte es aus Kreisen der russischen Flotte und Schiffsbauindustrie geheißen, dass ein baldiger Refit anstehe, der drei bis fünf Jahre dauere und auch den Austausch der für Defekte anfälligen Dampfturbinen durch einen Gasturbinen- oder Atomantrieb zum Zweck haben könnte. Ferner war vom Einbau von Katapulten die Rede - eine besonders langwierige Geschichte, weil die Russen damit keine Erfahrung haben.

Aufgeschobene Generalüberholung

Militäranalysten in Moskau und den USA meinten unlängst, dass die Überholung im Trockendock 2017 beginnen werde, auch, weil der Einsatz vor Syrien vorerst mit Jänner/Februar befristet ist. Über Umfang der Arbeiten und Dauer gibt es weiter unterschiedliche Prognosen, die durchaus bis 2020 und darüber hinaus reichen.

Hier ein nettes Video von Flugoperationen der Kusnezow. Man wundert sich allerdings, wo die vielen bunt gekleideten Mannschaften sind, die etwa auf westlichen Trägern auf Deck herumwuseln.

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