Die demokratische Kandidatin liegt in Umfragen meilenweit voran. Ihr Gegner, Donald Trump, versucht, ihre E-Mails zu skandalisieren. Doch diese Suppe ist ziemlich dünn.
Washington. Jede Woche befragen die Demoskopen von Ipsos im Auftrag der Nachrichtenagentur Reuters mehr als 15.000 Amerikaner in fast allen Teilstaaten nach ihren Präferenzen für die Präsidentschaftswahl. Und seit Mitte August ergibt sich daraus eine Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent, dass Hillary Clinton am 8. November als erste Frau Präsidentin der Vereinigten Staaten wird. Sie würde derzeit 310 der 538 Stimmen im Wahlmännerkollegium für sich gewinnen, Trump hingegen nur 176. 52 dieser Stimmen können derzeit noch nicht zugeteilt werden.
Für Trump gibt es nur ein Szenario, in dem er gewänne: ein enormer Anstieg der Wahlbeteiligung von Republikanern bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl von Demokraten, die zu den Urnen schreiten. Doch das ist unwahrscheinlich. Eine neue Umfrage im Auftrag von NBC News und dem „Wall Street Journal“ legt den Schluss nahe, dass die Wahlbeteiligung heuer gegenüber den 54,9 Prozent aus dem Jahr 2012 sinken dürfte. Doch während heute 75 Prozent und damit genauso viele der erklärten Demokraten wie vor vier Jahren angegeben haben, an der Wahl hochinteressiert zu sein, ist der Anteil dieser Republikaner um acht Prozentpunkte auf ebenfalls 75 Prozent geschrumpft.
Trumps letzte Fernsehchance
All das lässt die Wichtigkeit der dritten und letzten Fernsehdebatte für Trumps Siegeschancen klarer hervortreten, die in der Nacht auf Donnerstag in Las Vegas stattfindet. Es ist zu erwarten, dass Trump noch aggressiver versuchen wird, Clinton als lügenhafte Vertreterin einer kosmopolitischen Elite zu diffamieren, die das US-Volk an fremde Mächte auszuverkaufen trachtet und dabei jedes noch so verbotene Mittel einzusetzen bereit ist.
Dabei setzt er vor allem auf zwei Probleme, die Clinton mit E-Mails hat. Erstens die täglich heraustropfenden E-Mails von Clintons Wahlkampfleiter, John Podesta, die laut US-Geheimdiensten von russischen Hackern gestohlen und an die Clinton feindlich gesinnte Enthüllungsplattform WikiLeaks gespielt wurden.
Abgesehen von den üblichen Debatten über mögliche Konkurrenten und die Formulierung von Positionen, die in jeder Wahlkampforganisation stattfinden, gibt es ein E-Mail, das auf ein ethisches Problem hindeutet: 2012 erklärte ein Mitarbeiter der Clinton-Stiftung, dass Katar zu Bill Clintons Geburtstag im Jahr davor eine Million Dollar spenden wolle. Das wäre für Hillary Clinton ein Problem, weil sie bei ihrem Antritt als Außenministerin Anfang 2009 gelobt hatte, die Stiftung werde keine neuen Spenden fremder Regierungen annehmen, wenn diese nicht zuvor vom Außenministerium genehmigt wird. Allerdings gab Katar schon seit 2002 Geld, und es ist unklar, wann diese Spende floß.
Trumps zweite Hoffnung liegt in jenen Dokumenten, die das FBI über seine Untersuchung der Frage freigibt, ob Hillary Clinton durch den sorglosen Umgang mit ihren E-Mails Staatsgeheimnisse offengelegt habe. Ein neues Dokument zeigt, dass ein Außenamtsmitarbeiter versuchte, das FBI davon zu überzeugen, ein E-Mail Clintons über den Jihadistenangriff auf die US-Botschaftsaußenstelle im libyschen Bengasi nicht nachträglich als vertraulich zu klassifizieren. Im Gegenzug, resümierte ein FBI-Mitarbeiter über diese Diskussion, könnte das State Department sich dafür einsetzen, mehr FBI-Leute in US-Botschaften in Ländern zu stationieren, wo das derzeit schwierig oder verboten ist.
Als Anklagemittel gegen Clinton taugt dieses Dokument, das ein Quidproquo insinuiert, aber nicht recht: Das FBI gab dem Wunsch nämlich nicht statt. Es gab also kein Quid. Und ob der Vorschlag eines Entgegenkommens (also das Quo) vom State Department oder vom FBI kam, ist unklar.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)