Das Ende eines Strippenziehers

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BRAZIL-CUNHA-ARREST-CURITIBA(c) APA/AFP/HEULER ANDREY
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Eduardo Cunha, Ex-Parlamentspräsident mit Sinn für Gott und das Geschäft, ließ einst seine Macht spielen. Nun sitzt er wegen Korruption in Haft, die Freunde zittern.

Buenos Aires/Rio. Nichts dran, alles Lug und Trug. Die Sonderstaatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit vor, Geldwäsche und Devisenflucht. Die Indizien sind erdrückend, es gibt Zeugenaussagen, Belege, Auslandskonten. Aber auch in seiner Zelle bleibt Eduardo Cunha auf seiner Linie: alles abstreiten. Das hat er stets so praktiziert. Der Ökonom aus Rios Oberschicht hatte Mut, Macht, Millionen. Und kannte intimste Details aus 13 Jahren in den Couloirs des brasilianischen Kongresses, dessen Präsident er war.

Seit Mittwoch sitzt Cunha in Haft. Ein Sonderflug brachte ihn nach Curitiba, wo Richter Sérgio Moro seit zwei Jahren die Mosaiksteine des Petrobras-Schmiergeldskandals zusammensetzt. Verurteilt wurden mehr als 50 Manager, nun kommen die Politiker dran: Schatzmeister, Senatoren, auch der Wahlkampfleiter von Lula und Rousseff. Die meisten Beschuldigten stammen aus deren Arbeiterpartei PT.

Cunha gehört indessen zur Spitze der ideologisch flexiblen PMDB, der Partei des neuen Präsidenten Michel Temer. Dieser muss sich deshalb auch große Sorgen machen, wie viele andere Schlüsselfiguren, Minister und Senatoren. Denn Cunha weiß sehr viel.

Ein Opportunist

Als ihm der Kongress vor einem Monat das Mandat samt Immunität entzog, gelobte er, dass er im Fall einer Verhaftung nicht von der Kronzeugenregelung Gebrauch machen werde. Doch wie überzeugungsfest Cunha ist, zeigt ein Rückblick auf den März 2015. Da hat der damalige Kongresspräsident ein Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff grundsätzlich abgelehnt. Acht Monate später brachte er es selbst auf den Weg. Aus Rache, weil Rousseff ihn nicht vor den Richtern schützen wollte.

Es war ein typisches Cunha-Manöver. Er strengte 60 Prozesse gegen Journalisten an, seine Gegenschläge waren gefürchtet, er galt als instinktsicherer Virtuose der Geschäftsordnung. Er brachte es zum Kongresspräsidenten, obwohl ihn keiner ausstehen konnte. Öffentlich wollte ihn niemand verteidigen.

Ihm bleibt der Draht nach ganz oben. Cunha gab sich gern als frommer Christ und predigte im Evangeliumsrundfunk. Dabei verstand er es, Gott und Geschäft zu verbinden. Er ließ mehr als 200 Internetadressen mit religiösen Bezügen anmelden. Auf jesus.com war ein Porsche Cayenne registriert, nun fanden die Ermittler dort verdächtige Zahlungseingänge vom Chef der Airline GOL.

Wird er auch das abstreiten wie den Besitz jener vier Konten in der Schweiz, auf denen fünf Millionen Dollar liegen? Die Ermittler fanden heraus, dass Cunhas Frau und Tochter binnen acht Monaten 160.000 Dollar auf Shoppingtouren ausgaben. Ein anderes Konto beglich die Studiengebühren der zwei Kinder an teuren US-Unis. Ein Familienausflug nach Miami schlug mit 42.258 Dollar zu Buche. Die Richter froren nun 79 Millionen Dollar aus Cunhas Besitz ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

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