Helfer: Kinder in Aleppo drohen mit Selbstmord

Ein Zwölfjähriger wartet darauf, von einem Gebäude gerettet zu werden.
Ein Zwölfjähriger wartet darauf, von einem Gebäude gerettet zu werden.APA/AFP/THAER MOHAMMED
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Ein Viertel der Todesopfer in Aleppo sind Kinder. Die UNO bezeichnet die Bombardements auf die Stadt als Kriegsverbrechen.

Seit Wochen dauern die Bombardements der russischen und syrischen Armee auf Aleppo nahezu ohne Unterbrechung an. Der UN-Menschenrechtskommissar Zaid Raad al-Hussein brandmarkte das Bombardement und die Belagerung der syrischen Stadt als Kriegsverbrechen. Es handle sich "um Verbrechen historischen Ausmaßes", sagte al Hussein am Freitag in einer per Video zum UN-Menschenrechtsrat in Genf übertragenen Rede.

Viele Kinder in der umkämpften Großstadt leiden unter Depressionen, manche seien selbstmordgefährdet, sagte eine Nothilfe-Koordinatorin der SOS-Kinderdörfer in Syrien, Katarina Ebel, der "Passauer Neuen Presse". "Ein Junge, der sich das Leben nehmen wollte, war erst zwölf Jahre alt", schilderte sie.

Bisher habe man es "noch immer verhindern können, dass sich die Kinder selbst töteten". Die Kinder würden lernen, was sie zu tun hätten, wenn sie den Pfeifton einer anfliegenden Rakete hören, schilderte Ebel: "Sie schmeißen sich auf den Boden, machen den Mund auf, halten sich Ohren und Augen zu."

"Lieber sterbe ich"

Aber täglich gebe es Kinder, die sagen: "Lieber sterbe ich, als das noch länger mitzumachen." Die tiefe Verzweiflung treibe sie zur Aggression gegen sich selbst und andere. "Viele schlafen auch nicht mehr oder haben Albträume und sind dann tagsüber vollkommen erschöpft."

SOS-Kinderdörfer habe in jeder Einrichtung in Syrien Psychologen und Sozialarbeiter, "die einzeln mit den Kindern reden, versuchen, an die Traumata heranzukommen, den Kindern Vertrauen zurückzugeben", erzählt Ebel. "Manchmal gelingt es einfach nicht, weil die Erlebnisse zu extrem sind. Wenn ein Kind gesehen hat, wie seine Eltern umgekommen sind, unter Trümmern begraben wurden, das Zuhause verloren ist, dann ist das Sicherheitsgefühl oft für lange Zeit verloren."

Seit Beginn 500 Menschen getötet

Seit Beginn der Offensive seien fast 500 Menschen getötet und rund 2000 verletzt worden, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei einer Sondersitzung der UNO-Generalversammlung am Donnerstag in New York. Mehr als ein Viertel der Todesopfer seien Kinder. Die am 22. September begonnenen Angriffe der syrischen und russischen Luftwaffe seien die schwersten in dem mehr als fünfjährigen Krieg, meinte Ban. Das Ergebnis sei "entsetzlich".

Seit Anfang Juli habe kein Hilfskonvoi der UNO mehr die Stadt erreicht, Essensrationen würden bis Ende des Monats ausgehen, warnte Ban. Hunger werde als Kriegswaffe eingesetzt. Der UNO-Generalsekretär erinnerte mahnend an Katastrophen wie in Srebrenica und Ruanda. "Wann wird sich die internationale Gemeinschaft endlich zusammentun, um dieses Gemetzel zu beenden?"

Ban forderte "vollen humanitären Zugang" zum Ostteil der syrischen Stadt. 72 Länder unter der Führung Kanadas hatten die Sondersitzung beantragt, um die Blockade im UNO-Sicherheitsrat zu lösen. Die 28 Staats- und Regierungschefs der EU konnten sich am Donnerstag nicht auf ein strengeres Vorgehen gegen Russland in der Syrien-Krise einigen.

Russland will Feuerpause bis Samstag einhalten

In Aleppo gilt seit Donnerstag in der Früh eine Feuerpause, doch wagten nur sehr wenige Menschen die Flucht aus den Rebellenvierteln im Osten der Stadt. Am Morgen gab es Schüsse und Artilleriefeuer an einem der eingerichteten Fluchtkorridore. Die amtliche syrische Nachrichtenagentur SANA meldete, "terroristische Gruppen" hätten in der Gegend mit "Raketen, Maschinengewehren und Scharfschützen" angegriffen, um die humanitäre Feuerpause zu behindern. Es gebe mehrere Verletzte.

Russland verpflichtete sich laut UNO-Angaben, die Feuerpause bis Samstag einzuhalten. Zuvor hatte bereits die syrische Armee angekündigt, die Waffenruhe von jeweils elf Stunden pro Tag bis dahin zu verlängern. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte am Donnerstag hingegen, Moskau habe beschlossen, die Feuerpause um 24 Stunden auszuweiten.

(APA/dpa)

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