EU Gipfel scheut vor Russland-Sanktionen im Syrien-Konflikt

Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel.
Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel.REUTERS
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Der EU-Gipfel beschließt Maßnahmen, falls die Bombardierung auf Aleppo anhalten. Ein konkreter Verweis auf Sanktionen wurde allerdings aus der Erklärung gestrichen.

Bundeskanzler Christian Kern sieht gute Schritte nach vorwärts im strategischen Verhältnis der EU zu Russland. Nach dem ersten EU-Gipfeltag sagte Kern in der Nacht auf Freitag in Brüssel, die Verantwortung Russlands im Syrien-Konflikt sei ganz klar einzumahnen. Aber: "Sanktionen hat heute Abend niemand gefordert."

In der Erklärung der 28 EU-Staaten aber schloss man mögliche Sanktionen nicht aus. "Die EU erwägt alle möglichen Optionen, wenn die gegenwärtigen Grausamkeiten weitergehen", heißt es in der in der Nacht beschlossenen Gipfelerklärung. Neben der syrischen Regierung wird auch Russland für die Bombardements verantwortlich gemacht.

Auf die Frage, wann die Schwelle für Sanktionen erreicht sei, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, über einen Zeitplan sei nicht gesprochen worden. Die EU könne aber sehr schnell handeln, wenn dies nötig sei. Wenn die Intensität der Bombenangriffe wie in den Tagen vor dem jetzigen Waffenstillstand anhalte, "dann ist das schon ein Grund zu überlegen, was tun wir jetzt", sagte Merkel.

Konkreter

EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte, "Russlands Strategie ist es, die EU zu schwächen". "Wir haben vereinbart, dass wir Kurs halten und gegenüber Russland unsere Einigkeit bewahren", sagte Tusk.

Die 28 EU-Regierungen hatten am Donnerstagabend über ihr Verhältnis zu Russland debattiert. Konkrete Entscheidungen standen nicht auf der Agenda. Die EU-Regierungen seien sich einig gewesen, dass man einerseits gute Beziehungen zu Moskau wolle, aber die Vorgänge in Syrien nicht ignorieren könne, sagte Merkel. Der Westen macht Russland maßgeblich für die Bombenabwürfe auf Aleppo verantwortlich, weil es zusammen mit der syrischen Luftwaffe Angriffe auf die Rebellen im Ostteil der Stadt fliegt.

Nach hartem Ringen auf dem EU-Gipfel wurde der konkrete Verweis auf Sanktionen aus der Gipfelerklärung gestrichen. Laut Diplomaten hatten insbesondere Italien, Griechenland und Ungarn dagegen Front gemacht. "Beim Thema Syrien sind wir alle sehr besorgt", sagte der italienische Regierungschef Matteo Renzi. "Aber ich glaube, es würde nichts bringen, hier einen Verweis auf Sanktionen einzufügen."

EU über Einmischung besorgt

Die Regierungschefs seien besorgt über russische Feindseligkeiten, die von Luftraumverletzungen, Desinformationskampagnen, Cyberattacken bis hin zur Einmischung in den politischen Prozess in der EU und darüber hinaus reichten, fasste EU-Ratspräsident Tusk die Debatte zusammen. Frankreichs Präsident Francois Hollande warnte, dass Sanktionen zunächst die syrischen Verantwortlichen treffen würden. "Sollte Russland die Bombardements fortsetzen, muss es sich ebenfalls auf Antworten der EU einstellen, aber da sind wir noch nicht."

Merkel and Hollande hatten ihren EU-Kollegen zuvor über ihr Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Berlin berichtet. In der Nacht auf Donnerstag hatten sie im Kanzleramt fast eineinhalb Stunden mit Putin über die Lage in Syrien gesprochen und ihn nach Angaben von Hollande gedrängt, "seine Hausaufgaben" in Syrien zu machen. Merkel hatte vor Gipfelbeginn das einseitige Angebot der russischen und der syrischen Regierung zu einer stundenweisen Waffenruhe in Aleppo abgelehnt. Es sei ein dauerhafter Waffenstillstand nötig, sagte sie.

Moskau: Rebellen hindern Zivilisten an Flucht

Die syrischen und russischen Luftangriffe auf Aleppo haben international Entsetzen und Empörung ausgelöst. Nach Angaben von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon wurden seit Beginn der Offensive auf die nordsyrische Stadt fast 500 Menschen getötet und rund 2000 verletzt. Seit Anfang Juli habe kein Hilfskonvoi der UNO mehr die Stadt erreicht, Essensrationen würden bis Ende des Monats ausgehen, warnte Ban am Donnerstag vor der UNO-Generalversammlung.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf unterdessen den Rebellen in Aleppo vor, Zivilisten an der Flucht aus der umkämpften syrischen Stadt zu hindern. Die Rebellen hätten gegen die Feuerpause verstoßen "und die Evakuierung der Bevölkerung verhindert", sagte Lawrow nach Angaben seines Ministeriums am Donnerstag in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry. Moskau hatte zur Wochenbeginn eine eintägige Waffenruhe verkündet, die am Donnerstag in der Früh in Kraft trat. Laut Verteidigungsminister Sergej Schoigu wurde diese Pause um 24 Stunden ausgeweitet.

(APA/Reuters/AFP)

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