Wie Maduro seine Abwahl verhindert

Venezuela's President Nicolas Maduro receives military honors at Maiquetia airport, in Caracas
Venezuela's President Nicolas Maduro receives military honors at Maiquetia airport, in CaracasREUTERS
  • Drucken

Die Regierung stoppte ein Referendum der Opposition zur Abwahl des Präsidenten. Neuwahlen sind nicht möglich. Maduro selbst reiste zum Persischen Golf.

Buenos Aires/Caracas. Es war ein angekündigter Tod. Während Venezuelas Opposition in den vergangenen Monaten versuchte, die notwendigen Stimmen für ein Abwahlreferendum gegen den Präsidenten Nicolás Maduro einzusammeln, mutmaßten viele Beobachter, dass die Regierung einen Weg ersinnen werde, das von der Verfassung vorgesehene Instrument außer Kraft zu setzen.

Nun wurde er gefunden. In vier Bundesstaaten entschieden fast zeitgleich die Strafgerichte, dass die Opposition Unregelmäßigkeiten bei der Stimmensammlung begangen habe. Unter den 400.000 Stimmen, die von den Regierungsgegnern im April eingesammelt wurden, um den Referendumsprozess in Gang zu bringen, hätten sich diverse ungültige befunden. So hätten etwa Personen unterschrieben, die nicht mehr am Leben seien, Minderjährige und verurteilte Kriminelle. In den fraglichen vier Staaten wurde darum die zwischen 26. und 28. Oktober geplante Stimmensammlung für die Abwahl Maduros ausgesetzt.

Präzedenzfall Amazonas

Danach dauerte es nicht lange, bis der nationale Wahlrat CNE den gesamten Referendumsprozess auf Eis legte. Der CNE schließt sich den Verfügungen der Gerichte an und gab die Weisung aus, die Stimmensammlung bis zu weiteren Instruktionen der Gerichte einzustellen.

Doch ob die Instruktionen jemals erfolgen werden? „Täuschen wir uns nicht“, schrieb der Rechtsprofessor und Verfassungsexperte José Ignacio Hernández auf dem Portal prodavinci.com, „die Suspendierung des Abwahlreferendums, die der CNE heute in Abstimmung mit vier nicht zuständigen Gerichten ausführte, dürfte sehr wahrscheinlich unendlich lange dauern.“

Einen Präzedenzfall gab es nach den Parlamentswahlen. Im Jänner erkannte ein Gericht im entlegenen Bundesstaat Amazonas Unregelmäßigkeiten bei der Wahl und suspendierte sämtliche Abgeordnete der Provinz. Bis heute bleibt Amazonas ohne Repräsentanten. Und die Opposition ohne die an den Urnen errungene Zwei-Drittel-Mehrheit.

Für die Regierungsgegner sind nun alle legalen Wege versperrt, Neuwahlen herbeizuführen. Dafür hätte das Referendum vor dem 10. Jänner 2017 stattfinden müssen. Eine eventuelle Abwahl Maduros nach diesem Datum hätte allein dessen Entmachtung zur Folge, die Sozialisten blieben an der Regierung. Doch nun ist für viele hohe Chavistas das Thema völlig vom Tisch. „Wir werden nicht erlauben, dass unser Volk aufs Neue betrogen wird“ twitterte Francisco Rangel, der Gouverneur von Bolivar, einem der vier entscheidenden Bundesstaaten.

Die Reaktion des Oppositionsbündnisses war einmal mehr Ausweis seiner Hilflosigkeit. Der „Tisch der demokratischen Einheit“ schaffte es am Abend nach dem Spruch des Wahlrates nicht, ein gemeinsames Statement zu formulieren. Das Bündnis aus über 20 Parteien teilt sich seit Längerem in einen gemäßigten und einen radikaleren Flügel. Dieser hatte 2014 monatelang Demonstrationen organisiert, bei denen 43 Menschen starben – viele hinterrücks erschossen von Motorrädern ohne Nummerntafeln aus. Mehrere Führer der radikalen Fraktion wurden verhaftet und – wie der Parteiführer Leopoldo López, zu langen Haftstrafen verurteilt. Andere von der Wiederwahl ausgeschlossen.

Nun belangte die Justiz auch Vertreter des gemäßigten Flügels. Acht Oppositionspolitikern verbot ein Gericht die Ausreise aus Venezuela, darunter Jesús Torrealba und der zweimalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles. „Ihr verschwendet eure Zeit!“, twitterte Capriles, gerichtet an die Regierung, mit deren Amtsführung inzwischen 80 Prozent der Bevölkerung unzufrieden ist. In einem Referendum wollten 62,5 Prozent der Bürger Maduro abwählen, ermittelte das Demoskopieinstitut Datanalisis. Nun überlegen die Oppositionellen die Organisation einer neuen Massendemonstration.

Derweil ist Präsident Maduro zu einer Reise an den Persischen Golf aufgebrochen, um Saudiarabien und den Iran zu überzeugen, die Erdölförderung endlich zu drosseln. In den vergangenen Tagen versuchte Venezuela, seine Gläubiger zu einer teilweisen Umschuldung zu überreden. Das Land muss einen Staatsbankrott fürchten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Gespräche zwischen Regierung und Opposition
Außenpolitik

Venezuela: Regierung und Opposition wollen "aggressiven Ton" mildern

Die beiden Seiten haben einen langfristigen Dialog vereinbart. Die Opposition will ihre Proteste gegen die Regierung trotzdem fortsetzen.
Venezuelas Präsident Maduro droht Oppositionspolitikern mit Haft
Außenpolitik

Venezuelas Präsident Maduro droht Oppositionspolitikern mit Haft

Maduros Gegner streben einen Volksentscheid über seine Amtsenthebung an. Der Präsident spricht von einem "Putsch".
Proteste in Venezuela
Außenpolitik

Venezuela: Maduro kündigt Anhebung des Mindestlohns an

Der Mindestlohn in Venezuela soll um 40 Prozent steigen, kündigt Präsident Maduro am Vortag des von der Opposition angekündigten Generalstreiks an.
VENEZUELA-CRISIS-NATIONAL ASSEMBLY
Außenpolitik

Armee steht Gewehr bei Fuß

Präsident Maduro will drohenden Generalstreik mit Armee bekämpfen. Arbeiter und Soldaten sollten Firmen übernehmen.
VENEZUELA-CRISIS-OPPOSITION-PROTEST
Außenpolitik

Neue Massenproteste in Venezuela gegen Maduro

Die Opposition, die im Parlament über eine Mehrheit verfügt, verlagert den Druck für eine Amtsenthebung des Präsidenten auf die Straße. Regierung wirft ihr Prügel vor die Füße.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.