Warum Duterte die USA provoziert

Various activists' and Indigenous People's group burn a mock U.S. flag as they hold a rally supporting President Rodrigo Duterte's independent foreign policy in metro Manila
Various activists' and Indigenous People's group burn a mock U.S. flag as they hold a rally supporting President Rodrigo Duterte's independent foreign policy in metro ManilaREUTERS
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Der philippinische Präsident setzt eine jahrzehntelange Allianz mit Washington aufs Spiel, dient sich China an und könnte dabei die Karten im asiatischen Machtpoker neu mischen.

Ja zur unabhängigen Außenpolitik!“, skandieren am Freitag Demonstranten vor der US-Vertretung in Manila. Einige setzen eine US-Flagge in Brand, andere sprühen Graffitis an die Wände. Antiamerikanismus macht sich derzeit nicht nur auf den Straßen der Philippinen breit. Die Teilnehmer der seit Tagen andauernden Proteste sind vorwiegend Anhänger des rüpelhaften Präsidenten Rodrigo Duterte. Er selbst gab indirekt den Ton der Demos an: Er strebe eine „Trennung“ von den USA an, sagte er während seines Peking-Besuchs am Donnerstag. Manila solle künftig enger mit China zusammenarbeiten. Zurück in seiner Heimatstadt Davao relativierte er seine Ankündigung. Er wolle nicht die Beziehungen zu Washington kappen, vielmehr eine eigenständige Außenpolitik betreiben.

Während sich die US-Regierung „verdutzt und verunsichert“ gezeigt und „Klärung“ eingefordert hatte – ein Vertreter des Außenministeriums reist nach Manila –, bemühte sich die Regierung in Manila krampfhaft um Schadensbegrenzung: Duterte habe nicht von Trennung gesprochen, lautete der Tenor des um Beschwichtigung bemühten Handelsministers Ramon Lopez. Der Präsident sei nur für eine „unabhängige Außenpolitik“ eingetreten, er wolle mit „einseitigen Abhängigkeiten“ brechen. Selbstverständlich werde es keine Änderung bestehender Verträge mit den USA geben.

Schlag für US-Asien-Politik

Doch der Schaden ist angerichtet. Denn zumindest rhetorisch hat Duterte den radikalen Bruch mit einer seit Jahrzehnten andauernden außenpolitischen Tradition vollzogen: Die USA besetzten die Philippinen 1898; seit der Unabhängigkeit 1946 besteht zwischen Manila und der Ex-Kolonialmacht eine enge politische, militärische und finanzielle Partnerschaft: Allein seit 2011 ist mehr als eine Milliarde Dollar an US-Hilfen nach Manila geflossen. Die USA haben Soldaten im Süden des Landes stationiert, um Islamisten zu bekämpfen. Regelmäßig halten die beiden Länder gemeinsam Militärübungen im Pazifik ab.
Vor allem aber galt Manila bisher als stärkster südasiatischer Widersacher der zunehmend expansionistisch ausgerichteten Regionalpolitik Chinas – und die USA unterstützten sie dabei tatkräftig. Die Philippinen hatten wegen des Streits um Inseln im Südchinesischen Meer sogar ein internationales Schiedsgericht angerufen – und recht bekommen. Doch jetzt schlägt der sonst nicht wirklich zurückhaltende Duterte im Inselstreit auffallend sanfte Töne an. Er wolle einen „Dialog“, sagte er in Peking.
Der Verlust des bisher loyalsten US-Partners an China wäre ein schwerer Schlag für die US-Asien-Politik. Washington versucht, sich als Gegengewicht zu China im Pazifik zu etablieren, indem es seine Präsenz und seine Einflusssphäre stärkt. Die Philippinen spielen als loyalster US-Alliierter in Südostasien und als Erzrivale Chinas in diesen geostrategischen Planspielen eine zentrale Rolle. Das von Duterte angedrohte Ende der Militärkooperation mit den USA wäre ein Zeichen dafür, dass Washingtons Einfluss in der Region schwindet. Offen ist, ob er das wirklich bezweckt. Was könnte ihn motivieren?

► Duterte blufft: An der Militärkooperation und den Handelsverträgen mit den USA ändert sich de facto nichts. Die Attacken dienen dazu, das Wohlwollen Pekings zu gewinnen – und somit Zugang zu Handelsverträgen und Finanzhilfen zu bekommen. Duterte will mit chinesischem Geld die marode Infrastruktur daheim sanieren.

► Duterte meint es ernst: Die Abwendung von den USA ist die Retourkutsche für die harsche Kritik der Obama-Regierung an den schweren Menschenrechtsverletzungen der Duterte-Regierung: Im „Krieg“ gegen Drogenbanden sollen mehr als 3000 Menschen umgekommen sein. Allerdings könnte eine Abwendung von den USA daheim auf Widerstand stoßen: Das Militär ist mehrheitlich proamerikanisch und antichinesisch eingestellt.

► Duterte pokert: die wahrscheinlichste Option. Die Militärpartnerschaft zwischen Manila und Washington bleibt bestehen – trotz Rückschlägen, chinesischer Annäherung und Anti-US-Rhetorik. Duterte könnte versuchen, die Großmächte USA und China weiter gegeneinander auszuspielen, um selbst von der Rivalität zu profitieren. Faktum ist: „Washington wird eine dicke Haut brauchen, denn Duterte wird ein Partner mit Dornen“, so der Politologe Richard Heydarian von der De-La-Salle-Universität in Manila.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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