Wie stark ist Chinas starker Mann?

Xi Jinping will seine Seilschaften innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas stärken. Damit bringt er auch die Parteielite gegen sich auf, die ihn an die Macht gehievt hat.
Xi Jinping will seine Seilschaften innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas stärken. Damit bringt er auch die Parteielite gegen sich auf, die ihn an die Macht gehievt hat.(c) REUTERS (THOMAS PETER)
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Staats- und Parteichef Xi Jinping hat so viel Macht an sich gerissen wie seit Jahrzehnten keiner vor ihm. Doch sein Führungsstil lähmt das Land - und könnte Xis Autorität untergraben.

Peking. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem die in Peking erscheinende „Volkszeitung“ nicht die Errungenschaften des Vorsitzenden Xi preist. Er eine die Partei, schreibt das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Chinas, er sorge für Stabilität im Land und bringe Harmonie in die chinesische Gesellschaft.

Huldigungen dieser Art häuften sich in der Vergangenheit vor allem immer dann in den Staatsmedien, wenn es in der kommunistischen Führungsspitze handfeste Probleme gab. Und das scheint auch jetzt wieder der Fall zu sein. „Der Lobgesang auf seine Person deutet darauf hin, dass Xi nicht alles unter Kontrolle hat“, vermutet Zhang Lifan, ehemaliger Historiker an der Chinese Academy of Social Sciences und Kenner der Partei.

Über diese führungsinternen Konflikte erfährt die chinesische Öffentlichkeit kaum etwas. Chinas staatlich kontrollierten Medien ist es untersagt, darüber zu berichten. Sie schreiben lediglich, dass am heutigen Montag die „6. Plenartagung des 18. Zentralkomitees des Kommunistischen Parteikongresses“ beginnt. Und dass es bei diesem Treffen um „interne Reformen“ und „Parteidisziplin“ gehen werde.

Fünf Jahre ist Xi nun im Amt. Unermüdlich ist er seitdem mit harter Hand dabei, die Korruption im Land zu bekämpfen. Mehr als eine Dreiviertelmillion Chinesen wurden seit Beginn dieser Kampagne schon belangt, allein im zurückliegenden Jahr über 300.000. Tausende Parteikader mussten sich vor der Disziplinarkommission verantworten und wurden verurteilt, darunter auch Dutzende im Rang von Ministern und Provinzgouverneuren. Offiziell begründet Xi sein rigoroses Vorgehen damit, dass die Legitimität der Kommunistischen Partei auf dem Spiel steht.

Tatsächlich hat die Korruption der vergangenen Jahre ein Ausmaß angenommen, das die Partei bis in den innersten Zirkel erschüttert. Es geht zum Teil um Hunderte Milliarden US-Dollar, die Spitzenkader in den Jahren zuvor veruntreut und ins Ausland gebracht haben.

Fraktionskämpfe innerhalb der Partei

Zugleich hat sich der Verdacht erhärtet, dass Xi die Korruptionsbekämpfung dafür nutzt, sich seiner internen Widersacher zu entledigen. Entsprechend viele Feinde hat er. „Xi hat inzwischen Leute aus so ziemlich allen Fraktionen gegen sich aufgebracht“, sagt Parteiexperte Zhang Lifan. „Die Unzufriedenheit über seinen Führungsstil ist groß.“

Dabei unterscheiden sich die Fraktionen gar nicht so sehr in ideologischen Fragen. Vielmehr handelt es sich um unterschiedliche Seilschaften. Ein Teil der Führungsriege etwa setzt sich aus ehemaligen Mitgliedern der Kommunistischen Jugendliga zusammen, der mit 80 Millionen Mitgliedern größten Jugendorganisation in China. Die vergangene Führungsriege um Hu Jintao und Wen Jiabao ist dieser Fraktion zuzuordnen. Auch der amtierende Premierminister, Li Keqiang, hat seinen Aufstieg der Jugendliga zu verdanken. Xi selbst gehört der Fraktion der sogenannten Prinzlinge an, Nachkommen kommunistischer Kader der ersten Stunde, deren Familien so etwas wie einen roten Adel bilden.

Derzeit geht Xi besonders hart gegen die Fraktion der Jugendliga vor. Zahlreiche ihrer Funktionäre hat er bereits abgesetzt. Zudem soll er höchstpersönlich veranlasst haben, dem Verband die Gelder um rund die Hälfte zu kürzen. Doch auch die Parteieliten, die ihn an die Macht gebracht haben, sind unzufrieden mit ihm. „Es gibt ganz eindeutig Widerstand innerhalb des Systems“, sagt Parteihistoriker Zhang.

Um seine Ämter muss Xi akut nicht bangen. Bis zum 20. Parteitag im Jahr 2022 wird er gemäß den Parteigepflogenheiten Staats- und Parteichef bleiben. Doch bereits auf dem nächsten Parteitag im kommenden Jahr werden viele Schlüsselpositionen neu besetzt, darunter altersbedingt mindestens fünf der sieben Posten im einflussreichen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Derzeit ist Xi eifrig dabei, seine Anhänger entsprechend zu positionieren, damit sie in einem Jahr auf die vakanten Posten nachrücken.

Reformen bleiben auf der Strecke

Nach Ansicht des deutschen China-Experten Sebastian Heilmann vom Mercator-Institut für China-Forschung ist Xi bislang darin sehr erfolgreich gewesen, die Partei unter seine Kontrolle zu bringen. Doch Heilmann zufolge hat sich dafür an anderer Stelle ein Loch aufgetan. Er beobachtet schon seit geraumer Zeit, dass Xis zentralistischer Führungsstil den Staats- und Parteiapparat unbeweglich gemacht hat. Beamte und Parteisekretäre würden sich nicht mehr trauen, eigenständige Entscheidungen zu fällen, wichtige Reformvorhaben blieben auf der Strecke. „Wenn sich diese Lähmungserscheinungen verstärken sollten, werden sich viele politische Vorhaben Xis nicht mehr erfolgreich verwirklichen lassen“, befürchtet Heilmann.

Ein Dilemma. Denn das wiederum schwächt Xis Autorität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2016)

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