Wie Österreich Migration aus Afrika bremsen will

Sebastian Kurz und seine südafrikanische Amtskollegin, Maite Nkoana-Mashabane, in Johannesburg.
Sebastian Kurz und seine südafrikanische Amtskollegin, Maite Nkoana-Mashabane, in Johannesburg.(c) Dragan Tatic
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Besuch von Kurz und Leitl. In Südafrika und Kenia werben der Außenminister und der Wirtschaftskammerchef um eine stärkere Kooperation.

Johannesburg. Im noblen Hyatt Regency Hotel in Johannesburg steht Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl vor österreichischen Wirtschaftsvertretern und greift zu einem Vergleich aus der Meteorologie, um die Dringlichkeit zu unterstreichen. „Wenn irgendwo ein Tiefdruckgebiet ist, und rundherum sind Hochdruckgebiete – was passiert dann? Es gibt Sturm“, sagt er. Mit anderen Worten: Wenn sich überall sonst die Wirtschaft entwickelt und Wohlstand entsteht, Afrika aber ausgenommen bleibt, werden die Menschen von dort sich anderswo Perspektiven suchen. „Die wahre Migrationsherausforderung liegt in Afrika“, betont Leitl.

Die Mahnungen von Leitl am Montag sind der Auftakt einer viertägigen Afrikareise, die der Wirtschaftskammerpräsident zusammen mit Außenminister Sebastian Kurz und Vertretern von österreichischen Firmen unternimmt. Neben Südafrika, Österreichs wichtigstem Handelspartner auf dem Kontinent, ist ein Besuch in Kenia geplant. Leitl und Kurz wollen zum einen ausloten, wie man die wirtschaftlichen Beziehungen mit afrikanischen Staaten weiter vertiefen kann. Zum anderen geht es um die Frage, wie man für die junge Bevölkerung des Kontinents mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren (EU: 42) Perspektiven schaffen kann, um zu verhindern, dass die Menschen nach Europa kommen.

Weder Kenia noch Südafrika zählen zwar zu den wichtigsten Herkunftsländern von Flüchtlingen in der EU – im Gegenteil: Gerade Südafrika ist als größte Volkswirtschaft Afrikas das Ziel von Migranten aus der Region, vor allem aus Zimbabwe. Die Zahl wird auf mindestens 2,2 Millionen geschätzt. In Kenia leben fast 600.000 Flüchtlinge, die meisten aus dem Nachbarland Somalia. „Es ist wichtig, gerade die großen Staaten Afrikas zu gewinnen“, so Kurz nach einem Gespräch mit Südafrikas Außenministerin, Maite Nkoana-Mashabane.

Bevölkerungsexplosion

Vor allem Südafrika sei „einfach ein starker Player“ auf dem Kontinent und in der Afrikanischen Union. „Es braucht in diesen Ländern ein Bewusstsein, dass es zahlreiche negative Auswirkungen auf Afrika als Ganzes hat, wenn es keine Kooperation gibt, um den Migrationsdruck zu reduzieren.“

Die Befürchtungen vor einer Massenmigration aus Afrika speisen sich aus demografischen Prognosen: Pro Jahr wächst die Bevölkerung des Kontinents um 30 Millionen Menschen. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerungszahl von 1,3 auf bis zu 2,6 Milliarden verdoppeln. Zwar haben afrikanische Länder wirtschaftliche Fortschritte gemacht. Aber das rasante Bevölkerungswachstum macht diese Erfolge schnell zunichte. 2016 erwartet die EU 130.000 bis 140.000 Menschen, die über Nordafrika und das Mittelmeer kommen.

Brüssel versucht deshalb, mit einigen afrikanischen Staaten Migrationspartnerschaften auszuhandeln, um den Strom einzudämmen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat im September außerdem einen Investitionsplan angekündigt, angelehnt an den Marshall-Plan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Ab 2017 sollen mithilfe der Wirtschaft und der Mitgliedsstaaten bis zu 88 Milliarden Euro in Afrika investiert werden.

Im Rahmen dessen wolle die österreichische Außenwirtschaft berufliche Ausbildung nach Afrika bringen, sagte Leitl vor Journalisten. „Die Reise soll dazu der Anstoß sein.“ Projekte zur beruflichen Bildung soll es zunächst neben Südafrika und Kenia auch in Marokko, Algerien und Nigeria geben. Leitl will den Afrikabesuch aber nicht nur als Teil eines Abwehrkampfes verstanden wissen. Vielmehr dürfe die EU und auch Österreich im „Wettlauf um Afrika“ und sein großes wirtschaftliches Potenzial nicht ins Hintertreffen geraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2016)

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