Politisches Erdbeben in Litauen

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Der Bund der Bauern und Grünen wird bei den Parlamentswahlen in Litauen aus dem Nichts zur stärksten Kraft.

Vilnius. Kein Meinungsforscher sah es kommen: Der Bund der Bauern und Grünen (LVŽS) hatte bisher ein einziges Mandat in Litauens Parlament. Nach den Parlamentswahlen besetzt er nun 54 der 141 Sitze. Der kometenhafte Aufstieg des LVŽS zur stärksten Partei ist eine Zäsur. Seit 2001 hat eine der beiden großen Mitte-Parteien, die Sozialdemokraten oder die Vaterlandsunion, den Regierungschef gestellt. Künftig geben sie bestenfalls den Juniorpartner. Der LVŽS hat die Wahl. Die konservative Vaterlandsunion bekam 31 Sitze, die regierenden Sozialdemokraten stürzten von 38 auf 17 Mandate ab, wohl auch, weil sie trotz Widerstands den Kündigungsschutz stark gelockert hatten.

Hinter dem ländlich geprägten, sozial-konservativen LVŽS mit einigen ökologischen Punkten steht Milliardär Ramūnas Karbauskis, ein Grundbesitzer und Industrieller, der um sein Heimatdorf eine TV-Serie produzieren ließ. Als Spitzenkandidaten stellte er Saulius Skvernelis auf. Ein kluger Schachzug. Der Ex-Polizeichef inszenierte sich als oberster Antikorruptionskämpfer, versprach vage „Wandel“. Grüne Themen rückten in den Hintergrund. Stattdessen legte er den Finger auf die größte Wunde Litauens: die Auswanderungswelle und deren Gründe wie niedrige Löhne und soziale Ungleichheit. „Vergebt uns unsere Gleichgültigkeit und Unfähigkeit, das Land zu führen. Wir haben euch hinausgetrieben“, sagte Skvernelis pathetisch. Von 2014 bis 2016 war er als Quereinsteiger selbst Innenminister.

Litauens parteilose Präsidentin, Dalia Grybauskaitė, appellierte an den LVŽS. „das zerstörte Vertrauen in Parlament und Regierung wiederherzustellen“. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2016)

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