Der „Guardian“ zitiert aus Reden, in denen die heutige Premierministerin eindringlich vor einem EU-Austritt gewarnt hat.
London. Offenbar ist Theresa May eigentlich eine leidenschaftliche Gegnerin des EU-Austritts Großbritanniens – zumindest weisen darauf geleakte Aufnahmen hin, die der „Guardian“ nun veröffentlicht hat. Die Zeitung zitiert aus einer Rede im Mai, in der die damalige Innenministerin bei einem Treffen mit Goldman-Sachs-Bankern eindringlich vor den Folgen eines Brexit warnt.
Hauptsorge Mays sei gewesen, Unternehmen könnten reihenweise das Land verlassen. Auch das Thema Sicherheit wurde angesprochen: „Es gibt definitiv Dinge, die wir als Mitglied der Europäischen Union tun können, die uns meiner Ansicht nach sicherer machen.“Es gebe daher klare Vorteile, die für einen Verbleib in der Staatengemeinschaft sprechen würden. Und statt sich von der EU zu verabschieden, sollte Großbritannien eine Führungsrolle in Europa übernehmen: „Wenn wir führen, können wir Dinge erreichen.“
Dem Bericht zufolge könnten diese Äußerungen die Premierministerin, die gerade über die Bedingungen für einen Brexit verhandelt, in Schwierigkeiten bringen. May zählte zwar vor dem Referendum zu den Befürwortern des Status quo und stand damit hinter dem damaligen Premier, David Cameron. Aber es hieß immer, sie sei während des Wahlkampfs rund um das Referendum zu ruhig geblieben und habe sich nur halbherzig für einen Verbleib des Landes in der EU eingesetzt.
May nahm kein Geld für Pro-EU-Rede
Der „Guardian“-Bericht beweist nun genau das Gegenteil: dass May eine überzeugte Befürworterin des EU-Verbleibs war – und sich vehement gegen den EU-Austritt ausgesprochen hat. Goldman Sachs hat bestätigt, dass May Gastrednerin bei der Bank war. Sie sei allerdings nicht bezahlt worden.
Die Briten hatten in dem Referendum am 23. Juni für den Brexit gestimmt. Bis Ende März 2017 wollen sie laut May offiziell den Austritt aus der EU beantragen. May übernahm kurz nach dem Votum den Parteivorsitz und den Posten an der Regierungsspitze. Seitdem treibt sie den Brexit voran. Die Premierministerin gibt sich dabei betont optimistisch und selbstbewusst. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2016)