Im Mikrokosmos von Clintonland und Trumpworld

(c) REUTERS (POOL)
  • Drucken

Die Macht der Familienclans. Hillary Clinton vertraut einem eingeschworenen Zirkel um Bill und Tochter Chelsea, Donald Trump vor allem Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner.

Huma Abedin hält den Schlüssel zu Clintonland in der Hand, zur Hemisphäre des Clinton-Clans um Hillary, Bill und Chelsea, zum hermetischen innersten Zirkel der Freunde und Vertrauten der Clintons. „Sie ist wie eine zweite Tochter“, sagte Hillary Clinton über ihre engste Mitarbeiterin, die vor 20 Jahren im Weißen Haus als Praktikantin bei der damaligen First Lady begonnen hat und seither nicht mehr von ihrer Seite wich. Als Assistentin der Senatorin, als Vize-Stabschefin der Außenministerin, als diskrete Beraterin und Vize-Wahlkampfmanagerin steht die 40-Jährige mit den indisch-pakistanischen Wurzeln, geboren in den USA und als Muslimin in Saudiarabien aufgewachsen, Clinton außerhalb deren eigener Familie am nächsten. Sie genießt das absolute Vertrauen ihrer Chefin und gilt als künftige Stabschefin im Weißen Haus – eine Schlüsselposition.

Schon bisher regelte Abedin den Zugang zu Hillary Clinton. Sie verschaffte großzügigen Spendern der Clinton-Stiftung Termine bei der damaligen Außenministerin, wie die von mutmaßlichen russischen Hackern der Online-Plattform WikiLeaks zur Verfügung gestellten E-Mails aus dem Dunstkreis Clintons enthüllten. Dies weckte prompt den Verdacht auf allfällige Interessenkonflikte Clintons und untermauerte Vorwürfe gegen die Clintons.

Abedin steckt selbst nun mitten in einer peinlichen wie verhängnisvollen Affäre, wie dies auch die Doku „Weiner“ schildert. Sie verließ Anthony Weiner, ihren Mann und Vater ihres vierjährigen Sohns, nachdem sich der Ex-Abgeordnete und frühere New Yorker Bürgermeisterkandidat als Wiederholungstäter im „Sexting“ erwiesen hatte. Er hatte neuerlich anzügliche Fotos samt Text via soziale Medien verschickt, was ihm seine politische Karriere gekostet hatte. Und auch im jüngsten Skandal spielt sein Handy einen unrühmlichen Part. Es gab den Anstoß, die Untersuchung in Clintons E-Mail-Affäre nochmals aufzurollen. Auf Vergebung darf er längst nicht mehr hoffen. Dabei hat just Hillary Clinton dies Huma Abedin ein ums andere Mal vorexerziert.

Das Powerpaar der US-Politik hat indessen einst in Arkansas angeblich einen mythenumrankten Pakt geschlossen. Demnach sei erst Bill als Präsident an der Reihe und danach Hillary. „Zwei Präsidenten zum Preis von einen“, so pries Bill Clinton anno 1993 die neue Ära im Weißen Haus an. Im Laufe ihrer Karriere hat Hillary viele Opfer, Demütigungen und Verrenkungen hingenommen, um nun als erste Frau in der US-Geschichte vor den Pforten von 1600 Pennsylvania Avenue – der Adresse des Präsidentensitzes – zu stehen.

Hillary Clinton setzt auf Kontinuität. Auch im zweiten Anlauf nach 2008 zählt sie auf alte Freunde: John Podesta, Ex-Stabschef ihres Mannes und Gründer der Denkfabrik Center for American Progress, der das Übergangsteam Barack Obamas geleitet hat, fungiert als Wahlkampfmanager. Zum eingeschworenen Kreis der „Friends of Bill“ und zu den Fixsternen im Clinton-Universum gehört überdies Terry McAuliffe, Ex-Vorsitzender der Demokraten, genialer Spendensammler und Netzwerker, inzwischen Gouverneur von Virginia.

Im Clinton-Mikrokosmos agieren indes Bill und Chelsea Clinton als wichtigste Einflüsterer. Der charismatische Ex-Präsident, ein Political Animal und als solcher ein begnadeter Wahlkämpfer und Stratege, hat acht Jahre als Präsident allen Turbulenzen getrotzt. Mit seinem Hang zu Fauxpas und Skandalen ist er jedoch zugleich auch der größte Klotz am Bein seiner Frau. Als First Husband könnte er die Rolle eines Sonderberaters in Wirtschaftsfragen einnehmen, freilich ohne eigenes Portfolio. Als Galionsfigur für junge Frauen und Mütter soll derweil Chelsea Clinton im Wahlkampf ihre Generation, zu einem Gutteil Anhänger des progressiven früheren Clinton-Kontrahenten Bernie Sanders, mobilisieren.

Eine ganz ähnliche Aufgabe ist ihrer Freundin im gegnerischen Lager zugedacht. Ivanka Trump, die 35-jährige Mutter dreier Kinder, spielt in der Trumpworld eine noch größere Rolle. Im Vorwahlkampf absolvierte Donald Trump kaum einen Auftritt ohne Ivanka an seiner Seite. Wie Chelsea Clinton ihre Mutter beim Parteikonvent der Demokraten, so präsentierte auch Ivanka ihren Vater in Cleveland als Präsidentschaftskandidaten seiner Partei mit einer warmherzigen Hommage.

In der Wahlkampfarena umgibt sich Trump gern mit seiner Patchwork-Familie aus drei Ehen, insbesondere seinen drei älteren Kindern Donald, Ivanka und Eric – wie neulich bei der pompösen Eröffnung des Trump-Hotels an der Pennsylvania Avenue in Washington, nur ein paar Blocks vom Weißen Haus entfernt. Seine Frau Melania dient dabei lediglich als Dekoration.

In Strategiefragen oder auch bei der Wahl des Vizepräsidentschaftskandidaten hat der sonst so beratungsresistente Milliardär und Selbstdarsteller ein offenes Ohr für Ivanka und seinen Schwiegersohn Jared Kushner, den Erben eines Immobilienmagnaten mit ursprünglich demokratischem Hintergrund. Seinetwegen ist Ivanka zum Judentum konvertiert. Als mediales Hobby hält sich Kushner seit zehn Jahren das Wochenblatt „New York Observer“, und zuletzt sondierte Trumps Schwiegersohn die Chancen für die Gründung von Trump TV, einem eigenen Fernsehsender. Trump hält große Stücke auf ihn.

Nicht zuletzt die Kinder drängten Trump, binnen weniger Monate zwei Wahlkampfmanager zu feuern. Im August, als sein Stern zu sinken begann, heuerte er Steve Bannon an, den Chef der ultrakonservativen Website Breitbart News. Seither trägt Trumps Kampagne die demagogische Handschrift des Medienzampanos mit dem Faible für krude Verschwörungstheorien und der Abscheu gegenüber den sogenannten Mainstream-Medien. Plötzlich fabulierte der republikanische Kandidat von einer Konspiration der Banken und einem Komplott der Medien. Dass der Wahlkampf Trumps immer schrillere Töne angenommen hat, ist auch auf den Impetus Bannons zurückzuführen, der der radikalen Rechten mit Breitbart News eine Plattform bietet.


Kalte Schulter des Establishments. Steve Bannon teilt mit Trump die Verachtung für das republikanische Establishment. Die Parteielite, von Paul Ryan bis John McCain, ist längst abgefallen. Sie hat ihm schon vor der Kür und erst recht bei der Trump-Show auf dem Parteitag, der eigentlichen Krönungsmesse, die kalte Schulter gezeigt. Mittlerweile geht es ihr nur noch darum, die nackte Haut zu retten. Selbst Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey, der sich als erster Prominenter auf Trumps Seite geschlagen hat und mit den Agenden des Übergangsteams beauftragt ist, ging zuletzt auf Distanz. Von den Wortführern blieben nur zwei Veteranen übrig: Newt Gingrich und New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, zwei deklarierte Clinton-Gegner. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.