Türkei droht mit Ende des Flüchtlingsabkommens

Präsident Erdogan, Außenminister Cavusoglu
Präsident Erdogan, Außenminister CavusogluAPA/AFP/OZAN KOSE
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Sollte ihre Forderung nach Visafreiheit für türkische Bürger in der EU nicht bald erfüllt werden, "werden wir die Vereinbarung kündigen", betont Außenminister Cavusoglu. "Unsere Geduld neigt sich dem Ende zu."

Die Türkei hat der Europäischen Union mit der Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens noch vor Ende dieses Jahres gedroht, sollte ihre Forderung nach Visafreiheit für türkische Bürger in der EU nicht bald erfüllt werden. "Unsere Geduld neigt sich dem Ende zu", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der "Neuen Zürcher Zeitung". Dort nannte er auch einen Zeithorizont: "Wir warten auf eine Antwort (der EU) in diesen Tagen. Wenn die nicht kommt, werden wir die Vereinbarung kündigen."

Die Türkei habe auf Forderungen aus Brüssel reagiert und Lösungsvorschläge gemacht, könne aber ihre Anti-Terror-Gesetzgebung nicht ändern, erklärte der Minister. Da seien keine Zugeständnisse möglich. "Wir halten uns an die Abkommen mit der EU und erwarten, dass Europa dasselbe tut. Wenn das nicht geschieht, werden wir die Abkommen mit der EU auf diesem Gebiet aussetzen." Auf die Frage, bis wann dies geschehen würde, erwiderte Cavusoglu: "Wir warten nicht bis Jahresende. Wir haben eigentlich Ende Oktober gesagt."

Gelassenheit in Brüssel

In Brüssel reagierte man gelassen auf die Drohung Ankaras. Die EU stehe zu den Verpflichtungen des Abkommens, erklärte ein Sprecher der Kommission am Donnerstag in Brüssel. Es handle sich dabei um "einen Vertrag, der auf beidseitigem Vertrauen" basiere - und dieser werde auch von beiden Seiten eingehalten.

Die EU hatte Ankara Visa-Erleichterungen in Aussicht gestellt, dies allerdings an die Voraussetzung geknüpft, dass die umstrittenen Anti-Terror-Gesetze geändert werden. Kritiker werfen der türkischen Führung vor, mit Hilfe dieser Gesetze politische Gegner und unliebsame Journalisten mundtot zu machen. Erst am Montag war, neben weiteren Journalisten, der Chefredakteur der oppositionellen Zeitung "Cumhuriyet", Murat Sabuncu, festgenommen worden. Der Chef der deutschen Grünen, Cem Özdemir, war Erdogan daraufhin vor, die Türkei in ein "großes Gefängnis" umzugestalten, in dem Pressefreiheit darin bestehe, den Präsidenten zu huldigen.

EU-Türkei: Eine abkühlende Beziehung

Es ist nicht das erste Mal, dass die Türkei der Europäischen Union droht. Schon Anfang Oktober hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan die EU-Staaten mit scharfen Worten aufgefordert, abschließend über den Beitritt seines Landes zu entscheiden. "Wenn die EU die Türkei als vollwertiges Mitglied aufnehmen will, sind wir bereit. Doch sie sollten wissen, dass wir ans Ende unserer Geduld gelangt sind", sagte Erdogan damals.

"Es ist nicht nötig, darum herum zu reden oder sich in diplomatischen Verrenkungen zu ergehen", so Erdogan. "Es ist ihre Entscheidung, den Weg mit oder ohne die Türkei fortzusetzen." Der EU-Beitrittsprozess war in den 60er-Jahren begonnen worden, 2005 wurden offizielle Beitrittsgespräche eröffnet. "Die Haltung Europas ist die von jemandem, der seine der Türkei gemachten Versprechen nicht halten will", kritisierte der Präsident.

(Red./APA/dpa)

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