FBI entlastet Clinton in E-Mail-Affäre

Die E-Mail-Affäre hatte sie den ganzen Wahlkampf über verfolgt.
Die E-Mail-Affäre hatte sie den ganzen Wahlkampf über verfolgt.APA/AFP/GETTY IMAGES/JUSTIN SULL
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Die demokratische Präsidentschaftskandidatin kann aufatmen: Das FBI stellt die Ermittlungen gegen sie ein. Sie werde von einem manipulierten System geschützt, kritisiert Rivale Trump.

Hillary Clinton kann ohne die Last weiterer FBI-Ermittlungen in der E-Mail-Affäre den Präsidentschaftswahlkampf in den USA beenden. Der Chef der Bundespolizei James Comey erklärte am Sonntagabend in einem Schreiben an den Kongress, auch die Prüfung von neu aufgetauchten E-Mails der demokratischen Kandidatin ergäben keine Anhaltspunkte für eine Anklage.

Ein Clinton-Sprecher begrüßte die Ankündigung. Man habe nichts anderes erwartet, twitterte Brian Fallon. Clintons Wahlkampfteam geht davon aus, dass die E-Mail-Affäre nun beigelegt ist. "Wir sind froh, dass diese Angelegenheit gelöst ist", sagte Sprecherin Jennifer Palmieri.

Die Präsidentschaftskandidatin selbst ging bei einem Wahlkampf-Auftritt in Cleveland (Ohio) mit keinem Wort auf die Nachricht ein, nach der auch neue Untersuchungen in der E-Mail-Affäre keine Hinweise auf kriminelles Verhalten von ihrer Seite ergeben hätten. Sie wolle sich auf "ihre positive Botschaft" für das Land konzentrieren, zitierten Medien Kreise um die Clinton.

Bei den Ermittlungen ging es darum, dass Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin (2009-13) auch dienstliche Korrespondenzen über einen privaten Server abgewickelt hat. Wäre dadurch die Sicherheit der USA gefährdet worden, hätte das zu einer Anklage führen können. Die E-Mail-Affäre hatte sie den ganzen Wahlkampf über verfolgt.

Republikaner: Clinton von FBI begünstigt

Clintons republikanischer Rivale Donald Trump meinte, Clinton werde von einem "manipulierten System" geschützt. "Die Ermittlungen werden weitergehen", sagte er in Sterling Heights. Die Behörden würden Clinton nicht entkommen lassen. Sein Vize-Kandidat Mike Pence sagte bei einem Auftritt in North Carolina, es sei nicht an der Tatsache zu rütteln, dass Clinton ein Verbrechen begangen habe.

Trumps Wahlkampfchefin Kellyanne Conway sagte, die neuerliche Entscheidung des FBI ändere "überhaupt nichts". Das FBI habe den Fall "von Anfang an falsch gehandhabt", kritisierte Conway im Sender Fox News. Sie legte den Verdacht nahe, dass Clinton vom FBI begünstigt werde: Offenbar gebe es unterschiedliche Regeln für Clinton und "für uns, die kleinen Leute".

Nachdem Ermittlungen gegen Clinton im Juli bereits eingestellt worden waren, hatte der FBI-Chef vor etwas mehr als einer Woche dem Kongress mitgeteilt, im Rahmen eines anderen Falls seien neue E-Mails von Clinton aufgetaucht. Einzelheiten nannte er zunächst nicht. Die Enthüllung wurde sofort zum Wahlkampfthema, in den folgenden Tagen machte Trump in Umfragen Boden gut. Demokraten kritistierten Comeys Vorgehen scharf, Republikaner begrüßten es.

Clinton knapp in Führung

Seine Mitarbeiter hätten rund um die Uhr gearbeitet, um die neuen Unterlagen auszuwerten, erklärte Comey am Sonntag. Die Ermittlungsergebnisse vom Juli hätten auch nach dieser Prüfung weiter Bestand. Damals hatte das FBI zwar Clintons Verhalten in der Affäre um die Nutzung eines privates Servers für dienstliche Zwecke scharf kritisiert, sich jedoch gegen eine Anklage ausgesprochen. Das Justizministerium verzichtete auf Basis dieser Empfehlung eine Anklage-Erhebung. Beide Vorgänge wurden von Republikanern beklagt, die Clinton kriminelles Verhalten und Gefährdung der nationalen Sicherheit vorwerfen. Sie hat sich für die Umgehung der amtlichen Server entschuldigt.

Der Sender CNN zitierte aus Polizeikreisen, wonach die Tausenden "neuen" E-Mails, die durchforstet wurden, hauptsächlich Duplikate bereits gesichteter elektronischer Post und meist privater Natur waren. Daher habe die neue Untersuchung rasch abgeschlossen werden können. Der Laptop, der nun überprüft worden sei, sei etwa zehn Jahre alt gewesen und habe viel für die Ermittlungen irrelevantes Material enthalten.

In den vor der Erklärung des FBI veröffentlichten Umfragen lag Clinton knapp in Führung. Reuters/Ipsos bezifferte ihren Vorsprung auf fünf Prozentpunkte - 44 Prozent zu 39 Prozent - und schrieb ihr eine Siegeswahrscheinlichkeit von 90 Prozent zu. Die Statistik-Website FiveThirtyEight sah Clinton deutlich knapper mit gut 48 Prozent vor Trump mit fast 46 Prozent und berechnete für sie eine Siegeschance von etwa 65 Prozent. Wahlforscher beklagen seit Monaten, dass die ungewöhnlich hohe Zahl unentschlossener Bürger und andere Faktoren die Vorhersagen erschwert.

Anleger tippen wieder mehr auf Clinton-Sieg

Insbesondere war am Wochenende weiter unklar, wie hoch die Wahlbeteiligung der Afroamerikaner und Hispanics - wichtig für Clinton - und die der weißen US-Bürger ohne Hochschulabschluss - eine Kerngruppe für Trump - jeweils sein wird. Zwar erklärte Clintons Wahlkampfmanager John Podesta im Fernsehen, es deute sich eine hohe Teilnahmerate der beiden größten Minderheiten des Landes an. Die "New York Times" verwies dagegen darauf, dass Trump eine massive Führung von bis zu 59 Punkten unter den "blue-collar white voters" - weißen Arbeitern - aufgebaut habe.

In Fernost legte der Dollar zum Yen nach der Erklärung des FBI sprunghaft zu. Experten zufolge sehen viele Händler Clinton als bekannte Größe, während ihnen nicht klar sei, wie die Politik von Trump genau aussehen würde. Der Milliardär wirft der Demokratin vor, als Vertreterin des Establishments mit der Wirtschaftselite gemeinsame Sache zu machen. Der Populist gilt wegen seiner Unberechenbarkeit als "Börsenschreck".

Außerdem wurde nach der FBI-Erklärung auf den Aktienmärkten wird wieder verstärkt auf einen Sieg Clintons bei der US-Präsidentenwahl am Dienstag spekuliert. Anleger reagierten erleichtert. Die Terminkontrakte auf den Wall-Street-Index S&P-500 notierten zu Beginn der neuen Handelswoche 1,4 Prozent im Plus. Das Börsenbarometer hatte nach der Ankündigung der neuen Ermittlungen in der E-Mail-Affäre zuletzt so viele Tage hintereinander nachgegeben wie seit mehr als 35 Jahren nicht mehr.

(APA/Reuters/AFP)

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