Hongkong: Peking bringt Massen gegen sich auf

Ein Demonstrant legt sich in Hongkong vor der Polizei mitten auf die Straße.
Ein Demonstrant legt sich in Hongkong vor der Polizei mitten auf die Straße.(c) APA/AFP/ANTHONY WALLACE
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Chinas Führung verbannte in der Sonderverwaltungszone zwei demokratisch gewählte Abgeordnete aus dem Parlament – und provoziert damit neue Proteste der Bevölkerung.

Peking/Wien. Auf viel Sympathie stießen die Abgeordneten Yao Wai-ching und Sixtus Leung eigentlich nicht. Die chinakritischen Jungpolitiker hatten es bei den Wahlen im September zwar in das Hongkonger Parlament geschafft. Doch das wochenlange Hickhack um ihren Eid fanden viele in der chinesischen Sonderverwaltungszone albern: Ein Plakat mit der Aufschrift „Hongkong ist nicht China“ hochhaltend, hatten die beiden bei ihrer Angelobung den vorgeschriebenen Eid falsch aufgesagt. Am Montag beendete die chinesische Führung die Diskussionen: Sie erklärte die Vereidigung für ungültig und verbannte die beiden faktisch aus dem Parlament.

Viele Hongkonger sympathisieren nun doch mit den Abgeordneten – sehen sie in der unmittelbaren Intervention Pekings einmal mehr die Autonomie Hongkongs gefährdet. Zwei Jahre nach den Regenbogenprotesten, als Zehntausende Unabhängigkeits- und Demokratiebefürworter wochenlang das Regierungs- und Finanzviertel blockierten, flammt der Protest nun erneut auf. Bereits am Sonntag versammelten sich vor der Vertretung Pekings Tausende wütende Demonstranten. Für Montag planen die Aktivisten weitere Proteste.

Wortwörtlich heißt es in dem Beschluss des Ständigen Ausschuss des Volkskongresses in Peking: Abgeordnete des Hongkonger Legislativrates müssen ihre Treue auf das Grundgesetz der Sonderverwaltungsregion schwören. Der Eid darf in Form und Inhalt nicht verändert werden. Wer ihn ablehnt, disqualifiziert sich von einem öffentlichen Amt. Der Schwur kann auch nicht nachgeholt werden.

Aktivisten immer radikaler

Zwar wird eine Mehrheit des Hongkonger Parlaments nicht frei gewählt, sondern von prochinesischen Kräften ernannt. Auch der amtierende Regierungschef, Leung Chun-ying, ist das von Pekings Gnaden – und deswegen bei den Demokratieaktivisten so verhasst. Doch dass sich das Festland in konkreten Fragen in die Innenpolitik der teilautonomen Metropole einmischt, war seit der Übergabe der britischen Ex-Kronkolonie an die Volksrepublik 1997 selten der Fall.

Yau und Leung seien eine Gefahr für die nationale Souveränität und Sicherheit, begründet Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den Beschluss. Die Entscheidung aus Peking kam, noch bevor ein Gericht in Hongkong in derselben Sache entschied. Die Regierung kündigte an, das Urteil aus Peking zu respektieren und unverzüglich umzusetzen. Das dürfte in der Bevölkerung für noch mehr Zorn sorgen – auch gegen Regierungschef Leung. Im März stehen Neuwahlen an – nach Chinas Lesart sind sie frei, tatsächlich ernennt Peking die Kandidaten für Hongkongs höchstes Amt. Auch gegen diese Regel richtet sich der Protest.

Dass bei den Regenschirmprotesten weder Leung noch die Pekinger Führung im Geringsten auf die Anliegen der Demonstranten eingegangen sind, hat zu einer Radikalisierung innerhalb der Demokratiebewegung geführt. Die Initiatoren der damaligen Proteste melden sich kaum mehr zu Wort. Sie haben lediglich eine Demokratisierung gefordert, keine vollständige Loslösung Hongkongs von der Volksrepublik wie die jetzigen Wortführer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

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