US-Wahl: Nummer 45, übernehmen Sie

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Auf das 45. US-Staatsoberhaupt wartet eine Welt in Aufruhr. Die Krisen in Syrien, Nordkorea und in der Ukraine zeigen, wie unverzichtbar die USA als globale Führungsmacht sind.

Die Wahlen in den USA sind geschlagen. Und Donald Trump hat nur noch bis zur Angelobung am 20. Jänner 2017 Zeit, um sich auf einen der verantwortungsvollsten Jobs der Welt vorzubereiten. Die außenpolitische Agenda, die im Weißen Haus wartet, ist lang, verstrickt und nahezu hoffnungslos. „Die Achtzigerjahre haben angerufen und wollen ihre Außenpolitik zurück“, hatte Präsident Barack Obama im Oktober 2012 während einer Debatte mit seinem republikanischen Konkurrenten Mitt Romney geätzt. Romney hatte Russland als größte aktuelle sicherheitspolitische Bedrohung für die USA bezeichnet – eine Einschätzung, die sich vier Jahre später angesichts der russischen militärischen Muskelspiele auf der Krim, in der Ostukraine und in Syrien als korrekt herausstellt. Obamas sicherheitspolitisches Credo war es, die USA aus teuren und blutigen Konflikten herauszuhalten. Das war der Stimmung einer Nation geschuldet, die angesichts der entglittenen Kriege in Afghanistan und im Irak keine Lust auf neue militärische Abenteuer im Orient hatte.

Doch der erhoffte friedvolle Interessenausgleich zwischen mehreren globalen Polen hat sich nicht eingestellt – im Gegenteil. Vom Krieg in der Ukraine über Syrien bis zur nahenden atomaren Bewaffnung Nordkoreas und dem neoimperialen Gehabe Wladimir Putins werden die Vereinigten Staaten auch unter dem neuen Staatsoberhaupt als Ordnungsmacht dringend benötigt.

1 Russland ist keine Großmacht – aber seine Sabotagepolitik muss gestoppt werden

Die Vorstellung, dass die russischen Geheimdienste den Ausgang der US-Wahlen orchestrieren könnten, war eine fiebrige Übertreibung. Doch der Umstand, dass kaum ein Tag während der Wahlkampagne ohne neue Spekulationen und bestätigte Nachrichten über russische Computerangriffe vergangen ist, verdeutlicht die Einflussnahme des Kreml auf die öffentliche amerikanische Meinung. Washington wird der Desinformationskampagne Wladimir Putins entschieden entgegentreten müssen. Es wird sich noch stärker in der Nato engagieren müssen, um die verständlicherweise besorgten Nachbarstaaten Russlands zu beruhigen. Und, selbst wenn das manchen EU-Staaten wie Deutschland, Italien und auch Österreich nicht gefallen wird: Das internationale Sanktionenregime muss wegen der völkerrechtswidrigen russischen Intervention in der Ukraine verschärft werden – möglicherweise bis hin zur Drohung, russische Banken selektiv vom internationalen Zahlungsverkehr zu sperren.

2 Nordkorea wird weiter nuklear aufrüsten, wenn es nicht rasch mit Nachdruck isoliert wird

17 Tests von Langstreckenraketen allein heuer, die Ziele in Kalifornien oder Washington State treffen könnten, dazu zwei Detonationen von Atombomben: Die Hoffnung, das nordkoreanische Regime mittels eines halbherzig vollzogenen Programms von Wirtschaftssanktionen von der nuklearen Bewaffnung abzuhalten, war vergebens. Was Obama „strategische Geduld“ nannte, hat dem Diktator Kim Jong-un bloß Zeit gegeben, sein Waffenprogramm voranzutreiben. Mit diplomatischen Mitteln allein kann Washington diesen Prozess nicht mehr aufhalten, warnen Korea-Experten. Ein gezieltes Bombardement der nordkoreanischen Atomlabors, wie es Israel einst in Syrien und dem Irak getan hat, steht jedoch außer Debatte: Das würde einen sofortigen nordkoreanischen Angriff auf die dicht besiedelten grenznahen Regionen Südkoreas auslösen und möglicherweise China als Schutzmacht der Kim-Diktatorendynastie auf den Plan rufen. Die USA müssen China in die Verantwortung nehmen und Peking glaubhaft machen, dass es nur um die Eindämmung der Kim'schen Atomrüstung, nicht aber um einen Sturz des Regimes geht.

3 Chinas besorgte asiatische Nachbarn brauchen ein klares Signal aus Washington

Obamas Hoffnung, mit seiner Abwendung vom Nahen Osten hin zu Asien eine strategische Kehrtwende zum wirtschaftlichen Zukunftsraum des Pazifiks zu vollziehen, hat sich nur teilweise erfüllt. Der Absprung des langjährigen Verbündeten Philippinen, der sich unter seinem autoritären Präsidenten, Rodrigo Duterte, an China annähert, ist ein herber Rückschlag für Obamas „Pivot“-Strategie. Wie viel ist den USA die Rolle als Schutzmacht in Ostasien wert? Washington wird Geld und militärische Unterstützung bereitstellen müssen, um die neomaoistische Führung in Peking davon abzuhalten, großchinesische Fakten zu schaffen.

4 Das Schlachten in Syrien wird nur diplomatisch zu beenden sein

Die Zeiten, in denen man zwischen State Department, Pentagon und Weißem Haus darüber streiten konnte, ob und, wenn ja, in welcher Form die USA eine Flugverbotszone in Syrien einrichten sollen, um die Zivilbevölkerung vor den Bombardements der Luftwaffe Bashar al-Assads zu schützen, sind seit der Stationierung russischer S300-Luftabwehrbatterien vor einigen Wochen vorbei. Moskau stellte damit klar, dass es die Kontrolle über den syrischen Luftraum nicht aufgeben würde. Abgesehen davon, dass die neue Führung in Washington mit Ausnahme von kleinen Spezialeinheiten keine US-Bodentruppen nach Syrien schicken wird, bleibt somit nur die Hoffnung, Wladimir Putin mit einer neuen diplomatischen Initiative zur Einsicht zu bringen, dass ein Ende der Gewalt im Interesse Russlands ist. Wie hoch die Chancen dafür sind, kann niemand prognostizieren. Möglicherweise ist eine Aufteilung in einzelne Kantone ein Ausweg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2016)

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