"Das ist gefährlicher als im Kalten Krieg"

Bulgariens Präsident Rosen Plewneljew
Bulgariens Präsident Rosen PlewneljewClemens Fabry
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Bulgariens Staatschef Rosen Plewneliew ist geschockt nach Trumps Wahl zum US-Präsidenten und überzeugt, dass Putin Europa destabilisieren will.

Welche Auswirkungen wird die Wahl von Donald Trump auf das Verhältnis zwischen Europa und den USA haben?

Rossen Plewneliew: Ich bin unangenehm überrascht, wie nach dem Brexit. Trump hat nicht nur angekündigt, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, sondern auch die Nato infrage gestellt. Das war das falscheste Signal, das ein neuer US-Präsident aussenden kann.


Wird Trump die Nato schwächen?

Ich hoffe, der neue US-Präsident wird einige seine Versprechen überdenken.


Am morgigen Sonntag findet in Bulgarien die zweite Runde der Präsidentenwahl statt. Wie ist es zu erklären, dass ein prorussischer Kandidat wie Rumen Radew führt?

Als Staatspräsident muss ich überparteilich agieren. Die bulgarischen Wähler werden weise entscheiden. Bulgarien ist ein Land, in dem traditionell prorussische Politik einen jahrhundertelangen Hintergrund hat. Ich habe eine andere Politik betrieben.


Ihnen wurde vorgeworfen, dass Sie mit Ihrer Kritik an Russland den Beziehungen zu Moskau geschadet hätten.

Meine höchste Priorität ist die Integration Bulgariens in Europa. Wenn ich mich zwischen einer moskau- oder EU-freundlichen Politik entscheiden muss, weiß ich, was zu tun ist. Wir alle haben Beweise, dass Russland versucht, Europa zu destabilisieren.


Welche Beweise?

Beim jüngsten EU-Rat haben alle 28 Staaten stundenlang die unterschiedlichsten Beweise besprochen.


Welche Mittel setzt Moskau denn ein, um Europa zu destabilisieren?

Das reicht von Propaganda bis zur Finanzierung EU-feindlicher Ultranationalisten und Linksextremer. Das geschieht auch in Bulgarien. Viele EU-Hasser erhalten Finanzspritzen aus Russland. Oder denken Sie an die Cyberattacken, die sich auch gegen Bulgarien richteten.


Ist Bulgarien ein besonderes Ziel Russlands?

Der Balkan ist ein strategisch wichtiger Teil russischer Interessen. Bulgarien ist wichtig für Europa, weil es ein unumgänglicher Faktor für die Region ist. Wer Europa destabilisieren will, versucht es am günstigsten über den Balkan. Das war immer so: Der Erste Weltkrieg ist dort entzündet worden.


Dämmert ein neuer Kalter Krieg herauf?

Das hat mit Kaltem Krieg nichts zu tun. Ich nenne diese neue Phase den Kalten Frieden. Wir schwimmen in ungewissen Gewässern. Damals hatte die Sowjetunion ein Grundvertrauen mit dem Westen aufgebaut. Wir wussten, dass die russischen Generäle nicht den roten Knopf für Atomwaffen aktivieren.


Und heute?

Heute weiß Präsident Putin sehr genau, was wir nicht machen würden. Aber wir wissen überhaupt nicht, was er alles machen wird. Es gibt ein Europa vor und nach der Krim-Annexion. Keiner hat geglaubt, dass Grenzen in Europa noch mit Gewalt verschoben werden können. Russland hält sich nicht mehr an Regeln, die für die Sowjetunion gegolten haben.


Ist die jetzige Situation unberechenbarer?

Diese neue Phase ist gefährlicher als im Kalten Krieg. Mir ist völlig klar, dass Putin die EU als Gegner sieht und schwächen will.


In der EU läuft eine Diskussion, die Sanktionen gegen Russland abzuschwächen.

Die Ukraine-Krise ist nicht gelöst. Ist ein eingefrorener Konflikt eine Lösung? Mit dieser Methode will Russland Länder abhängig machen. Ich bin gegen die Aufweichung der Sanktionen. Wir müssen Stärke zeigen und die Sanktionen unter gewissen Umständen sogar vertiefen.


Europa hat im Moment auch Probleme mit der Türkei. Ist Bulgarien darauf vorbereitet, dass das Flüchtlingsabkommen platzt?

Das wäre weder im Interesse Europas noch der Türkei. Die EU muss sicherstellen, dass sie ihre Außengrenze schützt. Bulgarien trägt dazu bei.


Österreichs Regierung fordert angesichts der Massenverhaftungen in der Türkei einen Stopp der EU-Beitrittsgespräche. Sie auch?

So weit würde ich noch nicht gehen. Erstens: Wir müssen die Türkei als Partner in der Migrationskrise sehen. Europa wie eine Burg im Mittelalter zu schließen, ist keine Lösung: Wir müssen mit Torwächtern wie Türkei, Ägypten, Libyen kooperieren. Zweitens: Die Türkei ist eine Regionalmacht, deren Entwicklung man langfristig betrachten muss. Wir müssen Menschenrechtsverletzungen klar ansprechen. Einen Stopp der EU-Beitrittsgespräche sollten wir aber nicht übereilen.


Warum treten Sie nicht mehr an bei der Präsidentenwahl?

Aus persönlichen Gründen. Das habe ich dem bulgarischen Volk rechtzeitig dargelegt.


Sie brauchen eine Pause.

Sagen wir so: In der bulgarischen Verfassung ist klar festgelegt, dass ein Präsident zwei Mandate haben kann.


Folgen Sie Günther Oettinger als EU-Digitalkommissar nach?

Ich bin gern bereit, alles zu machen, was zur Stärkung Europas beiträgt. Wer nächster bulgarischer Kommissar wird, hängt nicht von mir ab. Das schlägt die bulgarische Regierung vor.

( Print-Ausgabe 13. 11. 2016)

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