Der türkische Präsident bringt ein Referendum über den EU-Beitrittsprozess ins Spiel.
Angesichts angespannter Beziehungen zwischen der EU und der Türkei hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Referendum über den EU-Beitrittsprozess ins Spiel gebracht. Der EU warf Erdogan in einem am Sonntag veröffentlichten Gespräch mit der Zeitung "Hürriyet" erneut vor, den Beitrittsprozess der Türkei zu behindern.
"Die Europäische Union versucht uns dazu zu bringen, dass wir uns aus dem Prozess zurückziehen. Wenn sie uns nicht wollen, sollen sie das klar sagen und beschließen", sagte Erdogan. Die Geduld Ankaras sei "nicht unendlich". Wenn es notwendig sei, könne auch die Türkei ein Referendum abhalten - so wie Großbritannien im Juni über den Ausstieg aus der EU.
Das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara ist seit Monaten angespannt. Erdogans islamisch-konservative Regierung wird vorgeworfen, ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Grundsätze mit aller Härte gegen Regierungskritiker vorzugehen. Allein seit dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli wurden zehntausende vermeintliche Regierungsgegner festgenommen oder vom Dienst suspendiert.
Zuletzt hatte eine Festnahmewelle gegen Journalisten der Oppositionszeitung "Cumhuriyet" und gegen führende Vertreter der kurdischen Opposition in Europa für Empörung gesorgt.
Oettinger: Heuer wohl keine Visafreiheit mehr
Dem Drängen der Türkei auf rasche Abschaffung der Visumpflicht erteilt die EU eine klare Absage. "Wir lassen uns in dieser wichtigen Frage nicht unter Druck setzen", sagte EU-Kommissar Günther Oettinger der "Welt am Sonntag" "Ich gehe nicht davon aus, dass die Türkei noch in diesem Jahr die Visafreiheit erhalten wird."
Die EU-Außenminister beraten am Montag die Lage in der Türkei und im Nahen Osten. Das visafreie Reisen für Türken in die EU war im Flüchtlingspakt mit Ankara vom März vorgesehen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuletzt ein Einlenken der EU binnen Tagen gefordert, sonst werde man das Abkommen nicht mehr umsetzen. Doch erfüllt die Türkei nicht alle Voraussetzungen. Insbesondere wurde nicht wie gefordert das Anti-Terror-Gesetz geändert.
Oettinger sagte: "Ich erwarte von Präsident Erdogan, dass die Instrumente zur Terrorabwehr in der Türkei, die durchaus ihre Berechtigung haben, nicht so missbraucht werden, dass es unschuldige Menschen trifft und rechtsstaatliche Grundsätze immer wieder verletzt werden."
Die EU widmet inzwischen finanzielle Hilfen für den seit 2005 vorbereiteten EU-Beitritt der Türkei für Flüchtlinge dort um. Laut "Spiegel" ist ein Grund, dass seit dem Putschversuch im Juli EU-Mittel zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kaum mehr effizient eingesetzt werden könnten.
(APA/AFP)